Sitzung 06. November 2001

Drucksache Nr. 25/01

174. Sitzung des Planungsausschusses, 06.11.2001

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 6 
Landesentwicklungsprogramm Bayern
Stellungnahme zur Teilfortschreibung zum Fachziel
Einzelhandelsgroßprojekte/FOC

Anlagen (nicht in der Online-Fassung):

Tabelle: Auswirkungen der Stadt-Umland-Klausel
Stellungnahme des Regionsbeauftragten vom 17.10.2001
Texte Regionalplan und LEP mit „Ulmer Liste"

  

I. VORTRAG

Der Ministerrat hat am 24.07.2001 den vorliegenden Entwurf des LEP-Fachziels B IV 1.4.5 (siehe Anlage) beraten und für das Anhörverfahren gebilligt. Mit Schreiben vom 01.08.2001 hat das StMLU den Regionalen Planungsverband München um Stellungnahme zu dieser Teilfortschreibung gebeten. Die Verbandsmitglieder wurden beteiligt.

1. Beibehalten wurde das generelle Ziel, die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich von Einzelhandelsgroßprojekten und die Funktionsfähigkeit der zentralen Orte nicht wesentlich zu beeinträchtigen. Im übrigen weist das Ziel Ergänzungen und Änderungen gegenüber der bisherigen Regelung auf:

  • Die Ausweisung von Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte ist grundsätzlich nur in städtebaulich integrierter Lage und mit qualifizierter Anbindung an den ÖPNV möglich.
     
  • Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten soll wie bisher anhand von Kaufkraftabschöpfungsquoten beurteilt werden.
     
  • Zukünftig sollen bei der landesplanerischen Prüfung jedoch drei verschiedene räumliche Bereiche unterschieden werden, nach der sich die Kaufkraftabschöpfung berechnet: 
     
    • für zentrenrelevante Sortimente des täglichen Bedarfs - Lebensmittel >> landesplanerischer Nahbereich (höchstens 25 % der dortigen sortimentsspezifischen Kaufkraft) 
       
    • zentrenrelevante Sortimente des sonstigen Bedarfs – z.B. Zeitungen, Pflanzen, Geschirr >> Verflechtungs- und Einzugsbereich des innerstädtischen Einzelhandels (max. 20 bzw. 10 % Kaufkraftabschöpfung je nach Lage) 
       
    • nicht zentrenrelevante Sortimente z.B. Möbel, Elektrogroßgeräte, Baustoffe >> höchstens 15 % der Kaufkraft im Einzugsbereich des jeweiligen Projekts. 

Die Sortimente werden nach der „Ulmer Liste" unterschieden (vgl. Anlage). 

  • Ganz neu ist eine Ausnahmeregelung zum Stadt-Umlandbereich: Hier sollen mit der Kernstadt städtebaulich, räumlich funktional und verkehrsmäßig eng verflochtene Gemeinden auf ein Viertel des entsprechenden Verflechtungsbereichs der LH München zurückgreifen können. Diese Regelung soll nur bei zentrenrelevanten Sortimenten des sonstigen Bedarfs greifen.
     
  • Des weiteren gibt es eine Ausnahmeregelung für städtebaulich nicht integrierte Lagen. Städtebauliche Randlagen sind danach für alle Sortimente außer für Lebensmittel möglich, wenn geeignete städtebaulich integrierte Standorte fehlen.

2. Die Stellungnahmen der Verbandsmitglieder und des Regionalen Planungsbeirats sind vom Regionsbeauftragten auf den Seiten 5 bis 9 seiner Stellungnahme aufgeführt. Auf sie wird verwiesen, ebenso wie auf die Tabelle, aus der die Auswertung der Stellungnahmen ersichtlich ist.

Neben allgemein positiv eingeschätzten Aspekten des Fortschreibungsentwurfs, wie z.B. das Abstellen auf den Schutz der Innenstädte sowie die Forderung nach städtebaulich integrierter Lage und qualifizierter Anbindung an den ÖPNV gibt es eine ganze Reihe von kritischen Anmerkungen der Verbandsmitglieder und des Regionalen Planungsbeirats. Sie beziehen sich auf folgende Bereiche:

Unklare Begriffe und Definitionen im Entwurf

  • Abgrenzungsprobleme beim Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels
  • keine ungeprüfte Übernahme des Projekteinzugsbereichs aus Angaben des Projektentwicklers
  • Verbesserungsbedürftigkeit der Sortiments-Differenzierung nach der Ulmer Liste
  • Kritik an den Abschöpfungsquoten
  • erhebliche Kritik an der Ausnahmeregelung im Stadt-Umlandbereich
  • Kritik an der Ausnahmeregelung für städtebauliche Randlagen; Gefahr, dass die Ausnahme zur Regel wird
  • Fehlen von Summenbetrachtung
  • Wunsch nach Anheben der Grenze für Großflächigkeit
  • Forderung nach Ergänzung um Aussagen zur Gestaltung des Ortsbildes sowie Rücksicht auf Natur und Landschaft.

Diese Anregungen und Kritikpunkte werden bei der folgenden regionalplanerischen Beurteilung berücksichtigt.

3. Aus Sicht der Region ist zu den einzelnen Regelungsbereichen des Zielentwurfs wie folgt Stellung zu beziehen:

a) Positiv zu beurteilen ist das Festhalten am System der zentralen Orte sowie das allgemeine Ziel, die verbrauchernahen Versorgungsstrukturen, die Funktionsfähigkeit der zentralen Orte, den Schutz der Innenstädte und die Minimierung der Verkehrswege und des Flächenverbrauchs zu wahren. Allerdings müssen die unbestimmten Begriffe wie „städtebaulich integrierte Lage", „qualifizierte Anbindung an den ÖPNV" etc. definiert werden.

b) Auch der neue Ansatz, grundsätzlich das Schutzgut Innenstadt ins Zentrum der Regelung zu stellen, ist zu begrüßen. Hier liegt der Teufel im Detail – es ist noch nicht geklärt, nach welchen Kriterien der Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels zugeschnitten sein soll. Auch wird davor gewarnt, bei nicht zentrenrelevanten Sortimenten den Einzugsbereich, den der Projektentwickler festlegt, ungeprüft zu Grunde zu legen; die Gefahr, dass der Einzugsbereich so groß zugeschnitten wird, dass er auch „passt", ist nicht auszuschließen.

c) Zu den Abschöpfungsquoten: Bei Lebensmitteln ist eine Abschöpfungsquote von 25 % im Nahbereich zu hoch, es sollte dort zum Schutz des Einzelhandels und der verbrauchernahen Versorgung auf 20 % reduziert werden. Auf der anderen Seite erscheint eine Abschöpfungsquote von 20 % bei zentrenrelevanten Sortimenten in integrierter Lage als zu niedrig. Die Innenstadt muss nicht in einem solchen Maße vor der Innenstadt geschützt werden.

d) An der Ausnahmeregelung für städtebauliche Randlagen ist zunächst positiv zu bemerken, dass dadurch Lagen auf der grünen Wiese, also Insellagen verboten sind. Unklar sind hier auch Definitions- und Nachweisfragen (wann fehlen geeignete städtebaulich integrierte Standorte?). Aus Sicht der Region München erscheint es sinnvoller, Randlagen nur im Zusammenhang mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten zuzulassen (vgl. RP B IV, 4.3.3) und hohe Anforderungen an den Nachweis zu stellen, dass zentrale Lagen fehlen.

e) Die Sonderregelung für die Stadt- und Umlandbereiche u.a. Münchens, wird abgelehnt. Sie soll gestrichen werden. Zunächst sind ihre Voraussetzungen unscharf definiert. Der Begriff einer engen städtebaulich, räumlich funktionalen und verkehrsmäßigen Verflechtung mit der Kernstadt ist unklar.

  • Diese Ausnahmeregelung führte zu einer nicht einsehbaren Bevorzugung einiger Siedlungsschwerpunkte im Umland von München zu Lasten des ländlichen Raums, zu Lasten der Unterzentren und Mittelzentren, zu Lasten der LH München. Dies ist vor allem deshalb nicht gerechtfertigt, weil für eine solche Zwangsanleihe der Kaufkraft der LH München kein sachlicher Grund erkennbar ist. Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Viertels der entsprechenden Kaufkraft des Münchner Einzelhandels ist zunächst die Feststellung, dass es sich dabei keinesfalls um einen Einzugsbereich des eigenen Einzelhandels handelt, wie er im vorhergehenden Absatz festgelegt wird. Damit bedeutet diese Regelung eine Konkurrenzlenkung hin ganz überwiegend in Umlandbereiche. Die Auswirkungen (in der beiliegenden Tabelle dargestellt) führen zu geradezu grotesken Ergebnissen. Demnach dürften die entsprechenden Siedlungsschwerpunkte, die die Voraussetzungen dieser Ausnahmeklausel erfüllen, wesentlich größere Verkaufsflächen ansiedeln als nahe, z.T. auch unmittelbar benachbarte Mittelzentren.
     
  • Die geplante Regelung führt zu einer einseitigen Konzentration von Einzelhandelsgroßprojekten im Münchner Umlandbereich – eine Entwicklung, die schon mit den Freisinger Beschlüssen des Regionalen Planungsverbands München abgelehnt wurde (vgl. Stellungnahme des Regionsbeauftragten, Seite 3). Insofern läuft sie auch dem Konzept der dezentralen Konzentration zuwider, das Grundlage sowohl für den Regionalplan München wie auch für das LEP ist. Die Mittelzentren und ihre Versorgungsfunktion sowie der (ländliche) Raum außerhalb des Umlandbereichs würden erheblich geschwächt. Diese Klausel stellt somit das System der zentralen Orte auf den Kopf. Demgegenüber sollen in den Verdichtungsräumen nach dem Entwurf des gesamten LEP vom 24.07.2001 bei der Entwicklung von Bevölkerungs- und Arbeitsplatzstrukturen Missverhältnissen entgegengewirkt werden und Suburbanisierungstendenzen in räumlich geordnete Bahnen gelenkt werden (vgl. A II 2.1.2 und 2.1.3 Entwurf LEP). Auch der Regionalplan München fordert, einer teilräumlich einseitigen Konzentration von Einzelhandelsgroßprojekten entgegenzuwirken (B IV G 1.2), daneben auch die Orientierung der Einzelhandelskapazitäten an der Versorgungsfunktion und der Größe ihrer landesplanerischen Verflechtungsbereiche (B IV Z 4.2.2).
     
  • Besonders nachteilig für die Entwicklung insbesondere für die Mittelzentren und ländlichen Bereiche außerhalb des Stadt-Umlandbereichs München ist die Kombination der Ausnahmeklauseln für den Stadt-Umlandbereich und für städtebaulich nicht integrierte Lagen. Ein Blick auf die in Frage kommenden Siedlungsschwerpunkte, die von dieser Sonderregelung im Stadt-Umlandbereich profitieren könnten, zeigt, dass aufgrund deren geringer Einwohnerzahl und Größe integrierte Lagen nur sehr schwer zu finden sind. Die Kombination dieser beiden Ausnahmeregelungen würde dazu führen, dass die städtebauliche Randlage die Regel wird und nicht die Ausnahme bleibt.

f) Für die Belastung und Raumverträglichkeit eines Projekts ist entscheidend, welche verkehrlichen Vorbelastungen durch ähnlich große Projekte bzw. bereits genehmigte Projekte bestehen. Eine Aussage zur Summenbetrachtung sollte in den Entwurf aufgenommen werden (vgl. RP B IV, Z 4.3.4).

Auch der bisherige Hinweis auf die Berücksichtigung des Ortsbildes und von Natur und Landschaft sollte Eingang in die Formulierung finden.

4. Um die Ansiedlung vor allem in den Ballungsräumen auf vernünftige, unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit dauerhafte und zukunftsfähige Standorte steuern zu können, sollte das LEP ausdrücklich regionale Einzelhandelskonzepte auf der Basis interkommunaler Abstimmung vorsehen. Dies entspräche auch der im Gesamt-LEP-Entwurf vom 24.07.2001 des öfteren angesprochenen Tendenz, interkommunale Zusammenarbeit zu stärken und Kooperationsgebiete festlegen zu können (LEP A II 4.4; A II 1.5; AII 2.2.5).

5. Aufgrund der vorstehenden Punkte sind die in Aufstellung befindlichen Ziele nur zum Teil für die Übergangszeit bis zu einer endgültigen Beschlussfassung im Landtag und Ministerrat zur Anwendung geeignet. Das neue Ziel ist zu berücksichtigen, aber nicht zu beachten – d.h. einer Abwägung zugänglich. Es entspricht dem Gebot der Gleichbehandlung, eine generelle Linie zur Anwendung in der Übergangszeit aufzustellen:

  • Die Stadt-Umland-Klausel darf einstweilen nicht angewandt werden (s.o.).
     
  • Die Ausnahmeregelungen für Randlagen kann nur Anwendung finden, wenn
     
  • von der Standortgemeinde nachgewiesen wird, dass es planerisch keinen integrierten Standort gibt.
     
  • für die nicht innenstadtrelevanten Sortimente kann die Neuregelung bereits jetzt angewandt werden. Sie führt dazu, dass auch andere nicht innenstadtrelevante Sortimente (bisher nur Möbel und eingeschränkt Bau- und Gartenmärkte) nach dem Einzugsbereich des jeweiligen Vorhabens zu prüfen sind. Dies bedeutet im Einzelfall eine kritische Überprüfung dieses Projekteinzugsbereichs.
     
  • Demgegenüber ist bei den innenstadtrelevanten Sortimenten des sonstigen Bedarfs eine Anwendung erst dann möglich, wenn der jeweilige Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels festgelegt worden ist.

  

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

  2. Der Regionale Planungsverband München gibt als Stellungnahme zum Landesentwicklungsprogramm Bayern/Fachziel Einzelhandelsgroßprojekte und FOC den Text dieser Drucksache ab. Die Stellungnahmen der Mitglieder des Regionalen Planungsverbands München werden dem Ministerium in Anlage beigefügt.

  

i.A.
Breu
Geschäftsführer 


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