Sitzung 06. November 2001

Drucksache Nr. 26/01

174. Sitzung des Planungsausschusses, 06.11.2001

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 7a 
Ansiedlung eines IKEA-Einrichtungshauses in den Gemeinden Taufkirchen und Brunnthal/ Lkr. München

Anlagen:

1. Stellungnahme des Regionsbeauftragten vom 27.09.2001
2. Lageplan (nicht in der Online-Fassung, siehe aber Lageskizze am Ende der Anlage 1)

  

I. VORTRAG

Der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands München hat den ursprünglich für den 18.09.2001 vorgesehenen TOP auf den 06.11.2001 verschoben. Die vorliegende Drucksache ersetzt die Drucksache Nr. 14/01 und berücksichtigt die vorgeschlagene Stellungnahme zur Teilfortschreibung des Fachziels Einzelhandelsgroßprojekte/FOC – Drucksache Nr. 25/01.

Die Regierung von Oberbayern beteiligt den Regionalen Planungsverband München an einem Raumordnungsverfahren für die Ansiedlung eines IKEA-Einrichtungshauses in den Gemeinden Taufkirchen und Brunnthal.

Im Ergebnis ist die Ansiedlung eines IKEA-Hauses mit dem vorgesehenen Randsortiment von ca. 7000 qm (davon ca. 5460 qm zentrenrelevant) abzulehnen.

1. Ein IKEA-Einrichtungshaus soll im bislang unbebauten Gebiet abseits der Ortskerne von Taufkirchen und Brunnthal auf einer Fläche von 9 ha realisiert werden. Der Standort liegt etwa 1,5 km nördlich des Autobahnkreuzes Brunnthal, östlich der bestehenden Behelfsausfahrt der A 8 und südlich der B 471 unmitelbar an der Gemeindegrenze. Die Zu- und Abfahrt soll über die B 471 erfolgen. Der nächste S-Bahnhaltepunkt befindet sich in Hohenbrunn und liegt ca. 3 km entfernt. Taufkirchen verfügt über 17.000 Einwohner, Brunnthal über rd. 4000. In der Nähe des Standorts befinden sich Gewerbe- bzw. Sondergebiete von Ottobrunn, Taufkirchen und Brunnthal – vor allem mit hochwertigen Büro- sowie Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen.

Nach einer Erweiterung ist eine Gesamtverkaufsfläche von 21.000 qm vorgesehen. Davon entfallen nach Angaben des Projektträgers 14.000 qm auf das Möbelkernsortiment, 4040 qm auf „zentrenrelevante Randsortimente" (z.B. Glas, Porzellan) und 2960 qm auf „nicht zentrenrelevante Randsortimente" (z.B. Elektroküchengeräte, Teppiche). Daneben sind rd. 2000 qm Serviceflächen vorgesehen, darunter auch 1100 qm für ein Restaurant. Die einzelnen Sortimente sind in der Stellungnahme des Regionsbeauftragen auf Seite 2 und 3 aufgelistet.

Nach den Projektunterlagen (Markt- und Standortuntersuchung der GMA) liegt die Umsatzerwartung für IKEA-Taufkirchen bei ca. 130 – 132 Mio DM pro Jahr. Nach Angaben der Unterlagen ergibt sich diese im Vergleich zur „normalen Umsatzleistung" eines Möbelhauses in Höhe von 54 Mio DM wesentlich höhere Zahl vor allem aufgrund der im Kernsortiment wesentlich höheren Flächenproduktivitäts- und Umsatzgrößen, die auch auf intensive Marktbearbeitung mit Katalog zurückzuführen sei (Seite 25 der GMA-Unterlagen des Projektbetreibers).

Das betriebswirtschaftlich abgegrenzte Einzugsgebiet reicht insgesamt in West-Ost-Richtung von Kempten bis Berchtesgaden, wird im Süden durch die bayerische Landesgrenze und im Norden durch eine Linie Augsburg-Freising-Mühldorf abgegrenzt. Es gibt hier einen Überlappungsbereich zum Einzugsbereich des IKEA-Standorts Eching.

Der Projektbetreiber geht von insgesamt 3,8 Mio Einwohnern im gesamten Einzugsgebiet und etwa 1,7 Mio Einwohnern in den Zonen I und II des sog. Kerneinzugsgebiets aus.

2. Die regionalplanerische Beurteilung zeigt, dass das Projekt mit seinen 7000 qm Randsortiment nicht den Erfordernissen der Raumordnung entspricht. Eine Realisierung würde die Funktionsfähigkeit der zentralen Orte im Einzugsbereich und die verbrauchernahe Versorgung wesentlich beeinträchtigen (LEP B IV, 1.4.5; RP 14 B IV, Z 4.3.2). Dies ergibt sich aus folgendem:

a) Das geltende LEP-Ziel und der Regionalplan legen als Prüfungsmaßstab für die Raumverträglichkeit eines Projekts grundsätzlich den landesplanerischen Verflechtungsbereich des Standorts zugrunde. Dieser umfasst ca. 21.000 Einwohner des Nahbereichs für Taufkirchen und Brunnthal.

In Taufkirchen ist generell die Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojekts möglich, weil der Ort als Siedlungsschwerpunkt auch unterzentrale Versorgungsfunktion hat. Die Prüfung muss anhand der Angaben des konkreten Projekts zum Umsatz erfolgen, weil nicht ein durchschnittliches Möbelhaus, sondern ein in dieser Hinsicht damit nicht zu vergleichendes IKEAHaus vorgesehen ist. Umgekehrt ist die höhere teilregionale Kaufkraft, die einzelhandelsrelevante Kaufkraftkennziffer, zu berücksichtigen (Die Anwendung einer Kaufkraftkennziffer, die im vorliegenden Fall zu etwas höheren Verkaufsflächen führt, ist nach der Handlungsanleitung allerdings ausgeschlossen – diese bindet die Behörden des Freistaats, nicht aber den RPV).

b) Für das Kernsortiment Möbel ist in dieser Handlungsanleitung anerkannt, dass statt des landesplanerischen Nahbereichs der Projekteinzugsbereich des Vorhabens für die Prüfung zugrundegelegt wird. Für den Möbelbereich weist das Projekt unter diesem Maßstab hinsichtlich des gesamten Einzugsbereichs eine akzeptable Gesamtabschöpfungsquote der entsprechenden Kaufkraft in Höhe von 4,5 % auf (vgl. Stellungnahme des Regionsbeauftragten, S. 7).

Anders als im Möbelbereich stellt sich die Situation im Randsortiment dar. Hier muss die Abschöpfungsquote der Kaufkraft nicht für den ganzen Einzugsbereich des Vorhabens, sondern für den landesplanerischen Nahbereich geprüft werden. Dieser umfasst die Gemeindegebiete von Taufkirchen und Brunnthal, also ca. 21.000 Einwohner. Einige Sortimente, die vom Projektträger als nicht zentrenrelevant bezeichnet werden, sind jedoch z.B. nach der sog. Ulmer Liste (vgl. Drucksache Nr. 27/01) und vergleichbaren Abgrenzungen zentrenrelevant (Beleuchtungskörper 920 qm, Teppiche ca. 500 qm). Insgesamt ergibt das 5600 qm zentrenrelevante Sortimente. Einer Kaufkraft im zentrenrelevanten Sortiment von 6,6 Mio DM stehen entsprechende Umsätze i.H.v. 33,6 Mio DM gegenüber. Dies bedeutet eine Abschöpfungsquote von 509 %.

Angesichts der nicht integrierten und nicht zentralen Lage des Standorts wäre allenfalls eine Quote von 30 % raumordnerisch zulässig. (Die Angaben im vom Projektträger vorgelegten Gutachten der GMA zu dieser Frage kommen nur deshalb zum Ergebnis, dass die Wirkungen im Nahbereich nicht gravierend sind, weil sie als Berechnungsgrundlage nicht den Nahbereich, sondern auch für das zentrenrelevante Nebensortiment den gesamten betriebswirtschaftlichen Einzugsbereich zugrunde legen. Dies entspricht weder den geltenden LEP-Zielen noch denen des Regionalplans noch den in Aufstellung befindlichen Zielen des LEP). Dies bedeutet eine Reduzierung von zentrenrelevanten Nebensortimenten incl. Teppiche und Beleuchtung auf raumverträgliche Flächen von max. 330 qm. Berücksichtigt man die höhere einzelhandelsrelevante Kaufkraft im Einzugsbereich der LH München (14 % höher als der Bundesdurchschnitt nach dem GfK-Standortatlas), kommt man auf max. 380 qm.

c) Auch liegt der Standort nicht in einer nach dem geltenden Regionalplan (vgl. B IV, G 4.1.1) geforderten integrierten Lage. Außerdem ist keine entsprechend leistungsfähige ÖPNV-Anbindung vorhanden. Die nächsten S-Bahnen sind nicht fußläufig erreichbar.

d) Der Individualverkehr soll über die B 471 mit einer neuen Anschlussstelle oder mit dem Ausbau der Anschlussstelle an die A 99 abgewickelt werden. Generell und vom durchschnittlichen Verkehrsaufkommen ausgehend kann der zusätzliche Verkehr in großräumigem Maßstab nach der Verkehrsuntersuchung von Prof. Kurzak von diesen Straßen aufgenommen werden. Allerdings kann es vor allem an Samstagen und an Wochentagen abends zu Verkehrsspitzen kommen, die nach aller Erfahrung mit anderen Projekten in der Region München (z.B. Segmüller) einen Rückstau von und zur Autobahn auslösen und in die Umgebung konfliktträchtige Durchgangsverkehre lenken (vgl. Stellungnahme des Regionsbeauftragten, S. 7/8)

Es bestehen Zweifel, ob die nach Prof. Kurzak zu erwartende Verkehrszunahme von ca. 6 – 7 % am Knotenpunkt M 11/St 2368/A 995 bewältigt werden kann. Bereits heute ist diese Anschlussstelle gerade in Spitzenzeiten völlig überlastet. Es droht auch eine Zunahme des Ausweichverkehrs in die Siedlungsbereiche Furth und Oberhaching sowie in andere Gemeinden, durch die der Verkehr läuft. Dies ist auch für die Gemeinden Sauerlach und Grünwald zu befürchten.

e) Das Planungsgebiet liegt zum Teil in einem zu Bannwald erklärten Gebiet. Allerdings ist dort nach einem Windbruch kein Wald mehr vorzufinden, sondern Wiese. Es ist umstritten, ob diesem Gebiet noch Bannwaldqualität zukommt. Dies kann jedoch hier dahingestellt bleiben, weil der Projektträger eine Ersatzaufforstung in unmittelbarem Anschluss an den bestehenden Bannwald gewährleistet.

Nach der geltenden Rechtslage entspricht das Projektvorhaben demnach vor allem im Umfang des Randsortiments nicht den Erfordernissen der Regional- und Landesplanung.

3. Eine andere Beurteilung ist auch nicht angesichts des in Aufstellung befindlichen LEP-Ziels B IV 1.4.5 möglich. Zum Regelungsinhalt, den Anhörungsergebnissen durch die Verbandsmitglieder sowie dazu, inwieweit das neue Ziel anwendbar ist, wird auf die Drucksache Nr. 25/01 verwiesen.

Für den vorliegenden Fall brächte eine Beurteilung anhand des Verflechtungsbereichs des innerstädtischen Einzelhandels von Taufkirchen und Brunnthal dem Projekt keine günstigere Aussage. Dieser Einzugsbereich ist nicht abgegrenzt und wohl nicht größer als der landesplanerische Verflechtungsbereich, statt 30 % Kaufkraftabschöpfung wären jedoch nur 10 % nach dem LEP-Vorschlag möglich, und damit nur noch ein Drittel des oben berechneten Randsortiments.

Die Ausnahmeregelung für den Stadt-Umlandbereich ist nicht anzuwenden. Dies folgt schon daraus, dass transparente und verlässliche Zahlen für den Einzugsbereich des innerstädtischen Einzelhandels der LH München, der nach dieser Vorschrift zu einem Viertel herangezogen werden soll, nicht vorliegen – bisher liegt nur eine auf den GFK Atlas gestützte Untersuchung vor, jedoch noch keine im Sinne des neuen LEP ermittelte Zahl.

Außerdem kann diese Ausnahmeregelung im Stadt-Umlandbereich wegen der in der Drucksache Nr. 25/01 angesprochenen Regelungswidersprüche nicht angewandt werden. Dies gilt vor allem auch deshalb, da nach den ganz überwiegend negativen Stellungnahmen der Verbände (auch des Landkreistags, des Gemeindetags sowie des Städtetags) eine neue Fassung dieser Klausel wahrscheinlich ist.

4. Selbst wenn die in Aufstellung befindliche Regel zum Stadt-Umlandbereich der Prüfung zugrundegelegt würde, könnte das Vorhaben nicht positiv beurteilt werden.  

  • Die Voraussetzungen für eine Anrechnung der Kaufkraft eines Viertels der Einwohner Münchens im Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels liegen nicht vor. Das Gebiet der Gemeinde Taufkirchen ist nicht durch eine enge städtebauliche und räumlich funktionale Verflechtung mit der Kernstadt gekennzeichnet. Denn dazu reicht es nicht aus, dass die Gemeinde in einem Randgebiet mit einer anderen Gemeinde (Ottobrunn) verbunden ist, diese wiederum über eine dritte Gemeinde (Neubiberg) mit der Stadt.    
     
  • Zahlen für den eigenen Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels in Taufkirchen/Brunnthal liegen nicht vor – sie würden bei einer vergleichbaren Einwohnergröße wie in der bisherigen Regelung wesentlich weniger Randsortimente erlauben (vgl. oben S. 3).    
     
  • Darüber hinaus liegt das Projekt nicht in einer städtebaulich integrierten Lage, die Voraussetzungen für eine Randlage sind nicht gegeben. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass aus planerischer Sicht geeignete städtebaulich integrierte Standorte fehlen. Der ins Auge gefasste Standort ist nicht Bestandteil eines planerischen Gesamtkonzepts mit besonderer Berücksichtigung der Aspekte Städtebau, Verkehr sowie Einzelhandel und Dienstleistungen der Gemeinden Brunnthal und Taufkirchen. Vielmehr dominiert in diesem, von beiden Gemeinden aus gesehen abgelegenen Bereich eine Bebauung mit hochwertigen Büro-, Forschungs- und Versuchseinrichtungen (Hochtechnologie).    
     
  • Eine qualifizierte ÖPNV-Anbindung ist nicht gewährleistet.

(Auch wenn man sich über dies hinwegsetzte und die Rechtsfolgen der in Aufstellung befindlichen Stadt-Umland-Klausel anwenden würde, wäre das zentrenrelevante Sortiment wesentlich zu groß dimensioniert. Selbst bei einem fiktiven Einzugsbereich des innerstädtischen Einzelhandels von rd. 570.000 Einwohnern (d.h. Zugriff auf ein Viertel des Münchner Einzugsbereichs) ergibt der angenommene Umsatz beim Randsortiment ca. 33,6 Mio DM pro Jahr (siehe Stellungnahme des Regionsbeauftragten Seite 6, zweite Tabelle). Das bedeutet bei einer entsprechenden Kaufkraft von ca. 180 Mio DM eine Abschöpfungsquote von 18,6 %. Setzt man für die gegenüber dem Durchschnitt höhere Kaufkraft von München eine sog. Kaufkraftkennziffer von 114 % (s.o.Seite 3) an, erhöht sich die Kaufkraft auf insgesamt 205 Mio DM. Dies bedeutet im Bereich der zentrenrelevanten Sortimente dann eine Abschöpfungsquote von ca. 16,3 %. Da nach der Stadt-Umland-Klausel lediglich eine Abschöpfungsquote von 10 % erlaubt wäre, müsste das zentrenrelevante Randsortiment von 5600 qm auf ca. 3400 qm reduziert werden, d.h. um 2200 qm.)

Nach all dem sind Bedenken gegen das zu prüfende Projekt IKEA Taufkirchen/Brunnthal zu erheben – diese Bedenken betreffen vor allem das zentrenrelevante Randsortiment. Es müsste auf weit weniger als ein Zehntel, d.h. auf ca. 380 qm reduziert werden. Nachdem das Konzept von IKEA ohne diese Randsortimente in erheblichen Umfang nicht denkbar ist, macht eine Auflage, sie darauf zu beschränken, keinen Sinn.

5. Die Gemeinde Neubiberg gibt zum Projekt keine zu berücksichtigenden Planungen und Interessen ab, die Gemeinde Oberhaching lehnt die Ansiedlung des IKEA-Marktes aus verkehrlichen Gründen ab, die Gemeinde Ottobrunn lehnt die Ansiedlung aus ortsplanerischen und verkehrlichen Gründen sowie wegen negativer Auswirkungen auf den Facheinzelhandel ab. Die Gemeinde Grünwald lehnt die Ansiedlung von IKEA aus verkehrlichen Gründen ab und verweist auf das Teilraumgutachten Süd, die Gemeinde Sauerlach widerspricht den Aussagen des Verkehrsgutachtens und befürchtet erhebliche verkehrliche Belastungen.

  

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

  2. Der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands München lehnt die geplante Ansiedlung eines IKEA-Möbelhauses in Taufkirchen/Brunnthal ab.

  

i.A.
Breu
Geschäftsführer 


Zur Tagesordnung 174. Sitzung, 06.11.2001

Ergebnisse der 174. Sitzung, 06.11.2001

Zur Tagesordnung 173. Sitzung, 18.09.2001

Ergebnisse der 173. Sitzung, 18.09.2001