Sitzung 05. November 2002

Drucksache Nr. 22/02

178. Sitzung des Planungsausschusses, 05.11.2002

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 6 
Mitwirkung des Regionalen Planungsverbands München bei der Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen mit den Erfordernissen der Raumordnung
hier: Schienenanbindung Ostbayerns an den Flughafen München Marzlinger Spange, Pullinger Spange, Neufahrner Kurve

Anlagen:

Gutachten des Regionsbeauftragten
Karte

  

I. VORTRAG

1. Die Regierung von Oberbayern beteiligt den Regionalen Planungsverband München an einem RO-Verfahren für die Schienenanbindung Ost-/Nordostbayerns an den Flughafen München. Die DB AG hat in das Verfahren die drei Varianten Marzlinger Spange, Pullinger Spange und Neufahrner Kurve eingebracht. Durch die genannte Fernbahnanbindung an den Flughafen München sollen Fahrgastaufkommen und Flughafenbeschäftigte aus den entsprechenden nordbayerischen Räumen auf das Verkehrsmittel Bahn gelenkt werden.

2. Die drei Varianten (vgl. Karte) des beantragten Projekts sind jeweils auf 30 Züge je Richtung und Tag ausgelegt. Die Marzlinger Spange zweigt östlich von Marzling ab, quert die Isar durch das Erdinger Moos und trifft kurz vor der Einfahrt in das Flughafengelände auf die geplanten Gleise des Ringschlusses der S6 Erding, die auch Teil der Fernbahnverbindung München Flughafen – Mühldorf – Freilassing sein werden. Ihre Länge beträgt ca. 10 km. Tunnelbauwerke sind für die Einfahrt in den Flughafen (650 m) und für die Querung des Steilufers nördlich der Isar (220 m) vorgesehen. Die Isaraue wird auf einer 450 m langen Brücke-Damm-Konstruktion überquert.

Die Pullinger Spange zweigt auf halber Strecke zwischen Freising und Pulling ab, überquert die Isar südlich von Pulling an der engsten Stelle des Auwaldbereichs und schleift nach der Querung der A 92 in die bestehende S-Bahnstrecke S1 ein. Sie weist eine Länge von ca. 4,6 km auf. Die Querung der Isar erfolgt auf einer 820 m langen Brücke.

Die Neufahrner Kurve zweigt nördlich der Kreuzung der Bahnstrecke Landshut – München mit der A 92 ab und schleift unmittelbar westlich der Kreuzung A 92 mit der B 11 in die bestehende S-Bahnstrecke S1 ein. Sie ist ca. 2,5 km lang und durchgehend zweigleisig. Eine eigene Isarquerung ist aufgrund der frühen Einschleifung in die S-Bahnstrecke nicht erforderlich.

3. Aus regionalplanerischer Sicht ist lediglich die Neufahrner Kurve mit raumordnerischen und regionalplanerischen Belangen in Übereinstimmung zu bringen. Dies ergibt sich aus folgendem:

a) Für die Erforderlichkeit des Projekts, d.h. den verkehrlichen Nutzen enthalten die Unterlagen keine brauchbaren Aussagen (s. Stellungnahme des Regionsbeauftragten Seite 2 unter 3.1). Aus diesem Grund muss davon ausgegangen werden, dass die drei Varianten in ihrer verkehrlichen Wirkung annähernd gleichwertig sind. Auf der anderen Seite können verkehrliche Vorteile nicht in eine Abwägung mit den entsprechenden Nachteilen der jeweiligen Strecken eingebracht werden.

b) Der Flächenbedarf der Neufahrner Kurve ist bei weitem der geringste. Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Streckenlängen: Marzlinger Spange ca. 10 km, Pullinger Spange ca. 4,6 km, Neufahrner Kurve max. 2,5 km.

c) Die Marzlinger Spange steht nicht im Einklang mit dem Beschluss, den der PA am 26.11.1991 (Ablehnung einer Schienenanbindung des Flughafens an die Strecke München –Landshut durch Ausschleifung bei Neufahrn über den Flughafen und Marzling nach Moosburg) gefasst hat (DS 42/91). Ein weiterer Konfliktpunkt ist das LEP Ziel B X 1.4, nach dem u.a. mögliche Oberzentren möglichst günstig in das überregionale Verkehrsnetz eingebunden werden sollen. In den Raumordnungsunterlagen ist nicht dargetan, wie die Bedienungsqualität auf der Strecke München – Freising – Landshut in Moosburg und Freising sichergestellt werden kann. Die Trasse der Marzlinger Spange kollidiert ferner mit einem landschaftlichen Vorbehaltsgebiet von Freising bis Moosburg a.d. Isar, in dem Natur und Landschaft ein besonderes Gewicht zukommt (RP 14 B I 1.2.2.9.4). Die Marzlinger Spange durchschneidet auch den regionalen Grünzug Isartal (RP 14 B II Z 4.2.2). Hier ist nicht dargetan, dass das konkrete Vorhaben nicht in Konflikt mit diesem Ziel steht, insbesondere zur Erholungsfunktion und wegen seiner senkrechten Durchschneidung auf Damm und Brücke zur Luftaustauschfunktion. Die Marzlinger Spange durchschneidet auch in der Isaraue Waldgebiete, die gemäß RP 14 B IV 1.3.3 zu Bannwald erklärt werden sollen. Diese Waldgebiete sind im waldarmen Münchner Norden besonders wichtig. Darüberhinaus durchquert die Trasse den Retentionsraum und das festgesetzte Überschwemmungsgebiet der Isar (LEP B XII 4.2 Satz 1) und erschwert die Rückhalte- und Speicherfähigkeit der Landschaft. Die Isaraue die auf 450 m durchquert wird, ist zudem ein nach der FFH Richtlinie gemeldetes Gebiet: Isarauen von Unterföhring bis Landshut. Kurzbeschreibung des Gebiets: „Großräumig zusammenhängende dealpine Flussauenlandschaft als eine der bedeutsamsten Verbundachsen an Biotopflächen zwischen Alpen und Donau mit großflächigen Auelebensräumen".

d) Die Pullinger Spange führt ebenfalls durch ein landschaftliches Vorbehaltsgebiet (zwischen München und Freising) und steht in Konflikt mit dem Ziel RP 14 B I 1.12.2.9.3. Sie tangiert nordöstlich des Baggersees bei Pulling den nördlichen Teil des Vorbehaltsgebiets für die Sicherung und den Abbau von Bodenschätzen Nr. 51. Weiter führt die Trasse wie die Marzlinger Spange durch den regionalen Grünzug Isartal (s.o.). Sie durchschneidet in der Isaraue Waldgebiete, die gemäß RP 14 B IV 1.3.3 zu Bannwald erklärt werden sollen (s.o.). Auch hinsichtlich der Durchquerung des Retentionsraums und der festgesetzten Überschwemmungsgebiete der Isar kann auf die Ausführungen zur Marzlinger Spange verwiesen werden.

e) Die Neufahrner Kurve tangiert weder Bannwald noch regionale Grünzüge, noch den Retentionsraum bzw. das Überschwemmungsgebiet der Isar. Aber auch hier muss sichergestellt werden, dass die Bedienungsqualität im nordöstlichen Teil der Region München in der Relation München – Landshut erhalten und verbessert wird. Das geplante ca. 38 ha große Gewerbegebiet an der A 92/B 11 wird nur geringfügig im Randbereich berührt.

Zusammenfassend stehen also den Varianten Marzlinger Spange und Pullinger Spange wesentliche Erfordernisse der Raumordnung entgegen. Sie sind aus regionalplanerischer Sicht deshalb nicht raumverträglich. Die Neufahrner Kurve weist diese Mängel nicht auf. Es ist zu beachten, dass die beiden Varianten Marzlinger Spange und Pullinger Spange durch gemeldete FFH Gebiete verlaufen, dies jedoch bei der aus verkehrlicher Sicht gleichwertigen Variante Neufahrner Kurve nicht der Fall ist. Hinzuweisen ist darauf, dass alle drei Varianten in oder am Rande von Landschaftsschutzgebieten liegen. Auf die der Beurteilung zugrundeliegende ausführliche Diskussion der verkehrlichen Belange, der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt und der einschlägigen raumordnerischen Ziele in der Stellungnahme des Regionsbeauftragten wird Bezug genommen (Gutachten des Regionsbeauftragten S. 2-7).

4. Die Neufahrner Kurve ermöglicht eine sinnvolle Durchbindung der Züge am Flughafen (dies gilt auch für die Pullinger, nicht jedoch für die Marzlinger Spange). Ein Durchgangsbahnhof am Flughafen München muss das bereits in einem RO-Verfahren positiv geordnete Projekt Ringschluss Erding und Ostanbindung des Flughafens über die Walpertskirchner Spange an die Strecke München – Mühldorf – Freilassing berücksichtigen. Diese Strecke ist Teil der europäischen Magistrale Paris – Ulm – München – Salzburg – Wien - Budapest. Priorität angesichts knappster Finanzen hat aus Sicht der Region München der Ringschluss Erding mit der o.a. Anbindung des Flughafens an die Fernbahnstrecke München – Mühldorf – Freilassing. Hier ist auch bereits ein entsprechender verkehrlicher Nutzen festgestellt worden. Als zweiter Schritt könnte die Anbindung der Strecke München – Landshut über die Neufahrner Kurve die gewünschte Durchbindung von Fernzügen am Flughafen München ermöglichen.

5. Am RO-Verfahren beteiligt sind u.a. die Städte Freising und Moosburg a.d. Isar sowie die Gemeinden Neufahrn, Hallbergmoos, Marzling, Langenbach, Eitting und Oberding.

Bis zum Redaktionsschluss dieser Drucksache lagen folgende Beschlüsse von Kommunen vor:

Die Stadt Freising lehnt im Ergebnis die Marzlinger und Pullinger Spange, aber auch die Neufahrner Kurve ab und ist der Auffassung, dass die für den ostbayerischen Raum erforderlichen relativ geringen Kapazitäten ohne großen finanziellen Aufwand und ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung von Natur und Landschaft problemlos durch die Optimierung des Flughafenbusses erreicht werden könne.

Die Stadt Moosburg lehnt alle drei Varianten sowohl aus ökologischen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als nicht verhältnismäßig ab. Es bestehen Zweifel, ob bei einer Schienenanbindung an den Flughafen sichergestellt sei, dass die unmittelbare Anbindung von Moosburg über Freising zum Hauptbahnhof München beibehalten werden kann – ohne Fahrzeitverlängerung und nachteilige Zeittaktänderung. Sie spricht sich für die Realisierung der Walpertskirchner Spange im Osten des Flughafens und des Ringschlusses Erding aus.

Die Gemeinde Neufahrn lehnt die Neufahrner Kurve ab. Die Trassenführung laufe dem im Flächennutzungsplan dargestellten Gewerbegebiet an der A 92/ B 11 zuwider.

  

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

  2. Der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands München stimmt der Anbindung der Fernbahnstrecke München – Landshut über die Neufahrner Kurve an den Flughafen München zu, wenn
     
    a) die Bedienungsqualität auf der Schienenstrecke zwischen München – Freising sowie nördlich von Freising erhalten und verbessert wird;
     
    b) zuerst der Ringschluss Erding mit der Walpertskirchner Spange und Anbindung des Flughafens an die Strecke München – Mühldorf – Freilassing realisiert ist.

  3. Die Varianten Marzlinger Spange und Pullinger Spange werden aus den in der Vorlage genannten Gründen abgelehnt.

  

i.A.
Breu
Geschäftsführer 


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