Sitzung 11. Juli 2017

Drucksache Nr. 3/17

244. Sitzung des Planungsausschusses, 11.07.2017

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP  4
Bürgergutachten zur Entwicklung der Region München


I. VORTRAG

Am 16.05.2017 fand in einem festlichen Rahmen im Schloßcafé im Palmenhaus, Schloßpark Nymphenburg, die Abschlussveranstaltung zum Bürgergutachten statt. Die beauftragte Firma Nexus und Teilnehmer am Bürgergutachten stellten die Ergebnisse ihrer Arbeit vor und übergaben das Gutachten zur Entwicklung der Region München an den Verbandsvorsitzenden des RPV, Landrat Karl Roth.

Die Ergebnisse werden, so Roth, in die Neufassung des Regionalplans einfließen.
 

1. Die Teilnehmer hatten in vier Planungszellen, jeweils von Mittwoch bis Samstag, in einem straffen Programm ihre Ergebnisse erarbeitet. Sie waren in einem Zufallsverfahren angeschrieben worden. Die Teilnehmer, die sich bereit erklärt hatten, repräsentieren vor allem bei den 18- bis 25-Jährigen recht gut die Altersstruktur der Region München, die Altersgruppe von 25 bis 45 war unterrepräsentiert, von 45 bis 65 und über 65 deutlich überrepräsentiert. Alle Bildungsabschlüsse und eine große Vielfalt an ausgeübten Berufen der Teilnehmer stellten sicher, dass die Arbeit in den Gruppen von einem breiten Erfahrungs- und Meinungsbild geprägt war. Die höheren Bildungsabschlüsse waren überrepräsentiert; es war kein Teilnehmer ohne Ausbildung oder Schulabschluss dabei.
 
Das wichtigste Anliegen der Bürgergutachter war, dass ihre Ergebnisse und Diskussionsinhalte nicht in der Schublade verschwinden, sondern auch Wirkung zeigen.
 

2. Das prognostizierte Bevölkerungswachstum wurde sowohl positiv als auch negativ gesehen. Positiv: die Möglichkeit zur Verjüngung der Gesellschaft, kulturelle Vielfalt, ein Beitrag zu Wohlstand und für Arbeitsplätze. Demgegenüber sahen die Bürgergutachter als Kehrseite des Wachstums soziale Spannungen, überlastete Infrastruktur, knapper und teurer Wohnraum und zunehmende Verdichtung und Zersiedelung.

Wichtiger als eine abstrakte Bewertung von Steuerungsmöglichkeiten des Bevölkerungswachstums ist den Gutachtern die Lösung der Probleme, die durch das Bevölkerungswachstum entstanden sind. So soll die Region gestärkt werden (gemeint ist wohl das Umland), Bevölkerungsdruck soll von der Stadt ins Umland abgefangen werden. Durch sozialen Wohnungsbau, Bauförderung, die Einwohner bevorzugt, und Bau von generationenübergreifenden Wohnungen sollen die Lebensbedingungen verbessert werden.

Keine Einigkeit gab es bei der Frage nach der künftigen Wachstumspräferenz. Zwischen unbegrenztem Wachstum und gar keinem Wachstum wurden alle Meinungen vertreten, die auf einer Skala von 0 (kein Wachstum) bis 10 (unbegrenztes Wachstum) lagen. Die größte Gruppe sprach sich für ein geringes Wachstum in der Region München aus.

Siedlungsentwicklung und Wohnen. Als problematisch wurden in diesem Arbeitsbereich vor allem die hohen Mieten, Spekulation mit Immobilien, Versiegelung von Freiflächen gesehen.

Die bestbewertete Empfehlung ist das innovative Bauen in die Höhe. Durch Wohnraumverdichtung in die Höhe könnten bestehende Grünflächen besser erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang sollen Dachgärten oder die Vernetzung mehrerer Häuser durch Brücken attraktive öffentliche Räume entstehen lassen. Parkplätze sollen unterirdisch gebaut werden, um Freiflächen zu erhalten. Weitere Empfehlungen zum Thema Wohnen waren autarke Wohngebiete, die in der Lage sind, die wesentlichen Infrastrukturangebote für Familien und Einwohner zu bieten, Regulierungen anwenden oder neu schaffen. Damit meinen die Teilnehmer die gesetzlichen Regulierungen des Miet- und Grundstücksmarktes, z. B. konsequentere Durchsetzung einer Mietpreisbremse oder das Verbot von Vermietung nichtgewerblichen Wohnraums zur Ferienwohnung. Durch Umverteilung von Wohnraum soll der bestehende Wohnraum effizienter genutzt werden. Dieser Vorschlag zielt vor allem auf ältere Menschen, die alleine in sehr großen Wohnungen leben. Sie könnten ihre großen Wohnungen mit Familien tauschen, deren Wohnungen zu klein sind. Auch könnten Studenten und Senioren gemeinsam in den Wohnungen leben.

Als wünschenswertes und sinnvolles Modell der zukünftigen Siedlungsentwicklung wurde mit großer Mehrheit die dezentrale Konzentration innerhalb der Region München bevorzugt. Dafür ist vor allem ein weiterer Ausbau der regionalen Verkehrsinfrastruktur nötig. Ein solches Wachstum der kleineren Zentren in der Region und eine bessere Vernetzung ermöglicht kürzere Wege in der Region, entlastet die Landeshauptstadt München und soll auch Freiflächen erhalten.

Demgegenüber wird die Weiterführung des punktaxialen Modells (Wachstum entlang der leistungsfähigen Achsen, insbesondere der S-Bahn-Achsen) deutlich kritischer gesehen, vor allem deshalb weil man der Überlastung des ÖPNV damit nicht Herr werde. Ein Vorteil des punktaxialen Wachstums sei allerdings der Erhalt von unbebauten Flächen, die durch tangentiale Entwicklungen durchschnitten werden. Ein rein flächiges Wachstum ohne System wird abgelehnt und eher als Vergeudung von Freiflächen wahrgenommen.

Wichtig beim Thema Gewerbe und Unternehmen ist den Bürgergutachtern der Erhalt der Branchenvielfalt. Keine Konzentration auf High-Tech, sondern ein Mix von innovativen und traditionellen Unternehmen soll angestrebt werden. Geschäfte des täglichen Bedarfs, insbesondere Handwerksunternehmen sollen ortsnah bleiben.
Wohnen und Gewerbe soll allerdings differenziert werden, so dass das Wohnen nicht so stark durch Lärm, Abgase, Abwasser oder Verkehrsaufkommen gestört wird. Neben dem Immissionsschutz soll bei der Ansiedlung von Gewerbe beachtet werden, vorhandenes Gewerbe zu schützen und die gewachsenen Strukturen nicht zu zerstören. Wohnen und Gewerbe sollen andererseits im Gleichgewicht bleiben, Vergrößerung von Betrieben und Ansiedlungen von Gewerbe müssen an die Schaffung von Wohnraum gekoppelt sein. Der größte Vorteil von Wohnen und Gewerbe an einem Ort wurde in den kurzen Wegen für die Einwohner gesehen.

In der Arbeitseinheit Verkehr sind die größten Probleme aus Sicht der Bürgergutachter zu viele Autos. Mit einigem Abstand dazu, dass Tangenten fehlen und der ÖPNV zu unattraktiv ist. Die wichtigsten Empfehlungen für die unterschiedlichen Verkehrsmittel sind mit weitem Abstand: weniger Autos in der Stadt, der Ausbau von Carsharing und intelligenter Verkehrssteuerung. Aber auch ein Ausbau des Autobahn-Südrings steht noch vor der Forderung nach emissionsarmen Autos und der Verbesserung von Park-and-ride-Planungen. Im ÖPNV sollen vor allem S-Bahn-Ring-Verbindungen geschaffen werden, das Ticketsystem ertüchtigt, ein höherer Takt eingeführt werden und wiederum Park-and-ride verbessert werden. Beim Radverkehr steht der Ausbau von Radwegen weit vorne, nicht luxuriös, aber sicher, also auch bei Schnee geräumt und um Gefahrenpunkte entschärft. Bikesharing, Fahrrad- und Schnellwege sind weitere vorrangige Empfehlungen für den Radverkehr.

Diese grundsätzliche Haltung schlägt sich auch bei der Frage, was an Verkehrsmitteln gefördert werden soll, nieder. So soll vor allem der Radverkehr, mit einigem Abstand der ÖPNV und abgeschlagen die Infrastruktur für Autos ausgebaut werden. Der Autoverkehr soll deutlich eingeschränkt werden, z. B. die Innenstadt möglichst autofrei halten, Spuren anlegen, auf denen die Autos nicht fahren dürfen, etc. Beim ÖPNV soll es keine Einschränkungen geben.

Im Rahmen der Diskussion über den Verkehr wurden die Teilnehmer auch selbst über ihre eigene Mobilitätspraxis befragt. Dabei wird deutlich, dass die meisten Autos und ÖPNV für den Arbeitsweg nutzen (Vorsicht: Fehler der prozentualen Bezeichnung auf Seite 56, Abbildung 26). In der Freizeit liegt das Auto knapp vor dem Fahrrad und dem zu Fuß gehen. Der ÖPNV ist abgeschlagen. Bei Einkäufen und Terminen liegt in der tatsächlichen Mobilität das Auto deutlich vor dem Fahrrad und dem zu Fuß gehen. Noch etwas geringer ist die Nutzung des ÖPNV.

Für die Arbeitsmobilität wird zukünftig ebenso wie in der Freizeit und für Einkauf/Termine eine geringere Nutzung durch das Auto gewünscht, jedoch für unrealistisch gehalten.
Die höhere Nutzung des ÖPNV wird bei weitem als realistischer eingeschätzt.

Grünzüge und Freiraum sollen erhalten werden. Diese Forderung ist bei weitem die wichtigste in dieser Arbeitseinheit. Dabei soll Grün für die Stadt, Wasserschutzgebiete erhalten und die Grünzüge durch Infrastruktur nicht zerteilt werden.

Der Naturschutz muss in der Regionalentwicklung eine größere Rolle spielen, vor allem in der Politik und Bildung. Inhaltlich ist den Bürgergutachtern bei der Rolle des Naturschutzes vor allem wichtig, das Ökosystem zu erhalten. Eine Verbesserung des Naturschutzes wird vor insbesondere durch eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung für das Thema gefordert. Mit Blick auf die Wirtschaft wünschen sich die Teilnehmer eine regionale und ökologische Wirtschaft, die dem Konsum umweltfreundlichere Produkte ermöglicht. Der Naturschutz soll im Regionalplan besser verankert und gestärkt werden.

Der wichtigste Aspekt beim Thema Bildung ist den Bürgergutachtern ein übergeordnetes regionales Bildungsmanagement. Es soll ein flächendeckendes und breites Angebot an Bildungsmöglichkeiten für alle schaffen. Dabei sei die überörtliche und überregionale Zusammenarbeit und Vernetzung der Landkreise wie auch der unterschiedlichen Planungssichtweisen, Bildungs-, Siedlungs- und Verkehrsplanung erforderlich.

Die Weichenstellungen für gute Arbeit liegen nach Überzeugung der Bürgergutachter darin, vor allem Ausbildungsberufe zu fördern. Fast ebenso wichtig ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, die Weiterbildung zu unterstützen und mehr Lohn für soziale Berufe zu erreichen.

Zu den offenen Arbeitseinheiten, die von kleinen Gruppen bearbeitet wurden, wird auf die Seiten 83 bis 94 des Gutachtens verwiesen.

3. Die zehn wichtigsten Empfehlungen der Bürgergutachter für Leitlinien der Regionalentwicklung sind in der Reihenfolge ihrer Bewertung:

  • Nachhaltigkeit als Leitbild,
  • Ausbau des ÖPNV,
  • Schaffen von bezahlbarem Wohnraum,
  • Konsequenter Grünflächenschutz,
  • innovative Verkehrskonzepte einführen,
  • eine überregionale und ganzheitliche Planung sicherstellen,
  • effiziente Flächenentwicklung und dezentrale Siedlungsentwicklung,
  • ein moderates Wachstum und
  • ein innovativer Wohnungsbau in der Region.

Vermisst wurde bei den Programmpunkten während des Bürgergutachtens das Thema Energie. Es soll ebenfalls im Regionalplan mit den Bereichen Energieversorgung, Energieerzeugung, Trassenführungen, Emissionen bearbeitet werden. 
 

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.
     
  2. Der Planungsausschuss beauftragt den Geschäftsführer und den Regionsbeauftragten, die Ergebnisse des Bürgergutachtens im Rahmen des zweiten Anhörverfahrens zur Gesamtfortschreibung des Regionalplans zu berücksichtigen.

 i.A.
Breu
Geschäftsführer


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