Sitzung 03. Juli 2018

Drucksache Nr. 9/18

248. Sitzung des Planungsausschusses, 03.07.2018

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 4
Auswirkungen eines möglichen Volksbegehrens „Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen“ auf die Entwicklungsperspektiven der Kommunen in der Region München

Anlage: Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens zur Änderung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes (BayLplG)


I. VORTRAG

Derzeit (Redaktionsstand 25.06.2018) liegt ein Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens zur Änderung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes (BayLplG) beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof, der auf Antrag der Staatsregierung über die Zulässigkeit des Antrags entscheidet.

  • Artikel 2 des BayLplG soll nach diesem Volksbegehrensantrag das Wort „Flächenverbrauch“ wie folgt definieren: „erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke“.
     
  • Gemäß Artikel 5 Abs. 3 BayLplG soll der so definierte „Flächenverbrauch“ ab 2020 auf durchschnittlich 5 ha pro Tag begrenzt werden. Die Aufteilung der Zielvorgabe auf die verschiedenen Planungsträger erfolge im Landesentwicklungsprogramm (LEP).

1. Gegen diesen Gesetzentwurf des Volksbegehrens besteht eine ganze Reihe von Vorbehalten

  • Schon die Definition einer Nutzung von Flächen als "Flächenverbrauch“ ist falsch. Flächen werden nicht verbraucht, indem sie z. B. verdichtet bebaut werden oder umgenutzt werden. Die Fläche ist dann nach wie vor vorhanden.
     
  • Es besteht aufgrund des Gesetzentwurfes keine Klarheit für Bürger und Kommunen, was das Gesetz für sie bedeutet und bewirkt. Insofern fehlt es an Transparenz. Das Verschieben weiterer Bestimmungen in das LEP sorgt gerade nicht für Klarheit. 
       
  • Offen ist ebenfalls, welche tatsächlichen erstmaligen Nutzungen davon erfasst werden. Z. B. ist die Begründung des Gesetzes, wonach es den Gemeinden unbenommen bleibt, den Innenbereich zu entwickeln, ein Fehlschluss. Denn bei der erstmaligen Nutzung von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke sind Nutzungen im Innenbereich denkbar, z. B. schon nach § 34 BauGB, wonach Baulücken in einem bebauten Umfeld ohne planerischen Einfluss der Gemeinden möglich sind. Auch andere tatsächliche Nutzungen aufgrund von Bebauungs- plänen im Innenbereich können eine erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlung- und Verkehrszwecke darstellen – z. B. wenn ein größerer freier Bereich innerorts erstmals überplant wird. Solche Fälle würden auf die 5 ha-Obergrenze angerechnet werden. Dass es bei der Obergrenze nicht, wie der Gesetzentwurf ebenfalls suggeriert, ausschließlich um planerische Eingriffe und Nutzungen geht, sondern auch um der Planung entzogene, wird auch deutlich bei Nutzungen und Vorhaben nach § 35 BauGB im Außenbereich. Auch diese Nutzung ist dem planerischen Einfluss der Kommunen entzogen.
      
  • Unklar ist, wie staatliche und andere Planungen mit überörtlicher oder überregionaler Wirksamkeit auf die Obergrenze für Gemeinden „verteilt“ werden können. Das betrifft z. B. großräumige Schienen- ausbaumaßnahmen, aber auch im kleineren Maßstab Radschnellwege wie andere Wege und Straßen auch. Diesen überörtlichen und überregionalen Verkehrswegen ist gemeinsam, dass sich ihre Funktion nicht in der reinen Erschließung der Gemeindeflächen erschöpft, durch die sie führen.
      

2. Erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke

 Hier wird deutlich, welche Eingriffe der Gesetzentwurf mit einer Obergrenze in die kommunale Planungshoheit vornimmt. Eine durchschnittliche Gemeinde im Umland der Region München hat ca. 6.000 Einwohner. Um die möglichen Auswirkungen der Obergrenze von 5 ha pro Tag auf die Gemeinden ermessen zu können, kann diese Zahl auf die Einwohner Bayerns umgerechnet werden. Dann ergibt sich eine mögliche erstmalige Nutzung von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke je Einwohner Bayerns 2020 (13,16 Mio.) und pro Jahr von ca. 1,4 qm.

Für die durchschnittliche Gemeinde im Umland der Region München, wären das also pro Jahr 8.400 qm für sämtliche neu genutzten Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke. Unklar ist hier auch, ob die Obergrenze von 5 ha dann auch in den Gemeinden auf das nächste oder übernächste Jahr übertragen werden kann, wenn sie nicht ausgeschöpft wird.

   a) Zunächst muss die Gemeinde Infrastruktur aller Art bereithalten für Vorhaben, auf die sie planerisch keinen Einfluss hat, also z. B. schon für die Nachverdichtung nach § 34 BauGB und Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB, die ebenfalls erstmalig Flächen beanspruchen. Zumindest im verkehrlichen Bereich kommen da Aufgaben auf die Gemeinden zu, aber auch in der Infrastruktur bei Kindertagesstätten, Schulen, Altenheimen, Bibliotheken, etc.

   b) Zur Nutzung von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke gehören nicht nur Wohnbauflächen und Industrie- und Gewerbeflächen, sondern ebenso Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen, genauso wie Grünanlagen, zu denen Spielplätze, Bolzplätze, Parks, Gärten, etc. gehören. Auch diese Flächen werden angerechnet.

   c) Hinzukommen öffentliche Gebäude wie Schulen, Kindergärten, Feuerwehr- häuser, Bürgerhäuser, Rathäuser, Bauhöfe, jeweils mit ihren verkehrlichen Erschließungsflächen, Stellplätzen, etc.

   d) Nicht zu vergessen die Investitionen und Flächen, die für den ÖPNV, insbesondere Busse, in der Gemeinde errichtet werden müssen. Das sind nicht nur die Haltestellen, sondern auch die dazugehörige Infrastruktur, evtl. Abstellplätze etc.
  

3. Kommunen können ihrem Entwicklungsauftrag für die Bürger und die Gemeinden in der Region München schwerlich nachkommen.

Von den rechnerisch 8.400 qm pro Jahr für eine Durchschnittsgemeinde sind alle o. g. Nutzungen zu bestreiten. Darüber hinaus ist in der wachsenden Region München auch langfristig mit Einwohnerzuwachs zu rechnen. Dieser Zuwachs gründet auf der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region und weit darüber hinaus. Der größte Teil des Bevölkerungszuwachses kommt durch Zuzüge zustande. Dieser Nachfrage kein entsprechendes Angebot zu machen, hieße einen weiteren schnelleren Preisanstieg für Wohnungen, Häuser und im Mietbereich zu verursachen.

Geht man von dem vom Statistischen Landesamt für die Region München vorausberechneten durchschnittlichen Einwohnerzuwachs von ca. 0,6 % pro Jahr aus (entspricht etwa 12 % in 20 Jahren), werden in der genannten Gemeinde mit 6.000 Einwohnern pro Jahr Wohnflächen für 36 Einwohner benötigt. Das entspricht ca. 12 Häusern, die etwa 7.200 qm Fläche benötigen oder zwei Wohnhäusern mit 12 Geschosswohnungen, insgesamt etwa 3.000 qm Fläche. Mit diesen Einwohnerzuwächsen und entsprechendem Wohnungsbau entstehen gleichzeitig entsprechende Anforderungen an den Infrastrukturausbau, s. o. (Spielplätze, Kita, Schulen, Stellplätze, verkehrliche Erschließung, ÖPNV, …).

Auch Flächen für die Versorgung der Bürger (Einzelhandel) steigen mit der Einwohnerzahl. Hinzu kommen ebenfalls weitere notwendige Flächen für Gewerbezwecke. Es ist schwerlich vorstellbar, dass die Gemeinde mit 6.000 Einwohnern all diese Aufgaben (siehe Seite 2 und 3) mit nur einer marginalen Fläche von 8.400 qm pro Jahr für die erstmalige Nutzung von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke stemmen kann.
  

4. Verlust der Vielfalt in unserer Heimat

Wollte eine solche Gemeinde dennoch mit den zugewiesenen Flächen auskommen, führte das zwangsläufig zu einem Verlust der gewachsenen gemeindlichen Strukturen. Sie wäre gezwungen, die Baustrukturen an städtischen Strukturen anzupassen. Die Attraktivität der Region München gründet aber auch auf den unterschiedlichen Baustrukturen und Ortsbildern unserer Gemeinden. Mit einer Angleichung und einem baulichen Einheitsbrei verlöre die Region nicht nur Attraktivität, sondern auch Lebensqualität für ihre Bürger. Die Gemeinden verlieren einen Großteil ihrer Planungshoheit.

Im Übrigen wäre ja das Ergebnis eines solchen Gesetzes in keinem Fall weniger Beton, wie das Volksbegehren suggeriert. Es würde nur massiver aufeinander gestapelt – die Ortsbilder verlören erheblich an Qualität.
  

5. Handel mit Flächenzertifikaten

Die von einigen Verfechtern der 5 ha Obergrenze eingebrachte Idee eines Handels mit Flächenzertifikaten führt dazu, dass reiche Gemeinden armen Gemeinden solche Zertifikate abkaufen könnten. Folge davon wäre, dass eh schon nicht so gut entwickelte Gemeinden ihre Entwicklungsoptionen und -chancen verkaufen.
  

In der Region München, die oft als Beispiel für maßlose Flächeninanspruchnahme karikiert wird, ist pro Einwohner und Arbeitsplatz bei weitem die geringste Nutzung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in Bayern festzustellen. Auch im Hinblick darauf, dass in der gesamten Region München nicht einmal 10 % der Fläche bebaut sind, ist die Obergrenzenregelung des Volksbegehrens abzulehnen. Der Bayerische Gemeindetag und der Bayerische Städtetag sprechen sich gegen den Entwurf aus.
 

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.
      
  2. Der Regionale Planungsverband München lehnt das beantragte Volksbegehren mit der Festlegung einer undifferenzierten und pauschalen Obergrenze für die erstmalige Nutzung von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke ab.
      

i.A.
Breu
Geschäftsführer


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