Sitzung 5. Juli 2022

Drucksache 10/22

262. Sitzung des Planungsausschusses am 05.07.2022

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsauschuss

TOP 2
Windkraft in der Region München

- Rahmenbedingungen, Potentiale, regionale Handlungsmöglichkeiten

Anlage:
Wind-an-Land-Gesetz – WaLG; Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung

I. VORTRAG

Noch im Juli soll der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergien an Land (Wind-an-Land-Gesetz – WaLG) beschließen. Die Bundesregierung hat dafür die beiliegende „Formulierungshilfe“ für die Regierungsfraktionen beschlossen. Das WaLG enthält ein neues Windflächenbedarfsgesetz in Artikel 1 und entsprechende Änderung des Baugesetzbuchs (BauGB) in Artikel 2. Insbesondere Verfahrensvorschriften werden im Artikel 3 – Änderungen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) vorgesehen und eine Anpassungsänderung im Raumordnungsgesetz des Bundes durch Artikel 4.

Das gesamte Gesetz soll sechs Monate nach der Verkündung in Kraft treten.

1. Wesentliche Änderungen durch das Gesetz:

  • Unter der Annahme eines zukünftigen Strombedarfs (2030 80 % des Stroms aus erneuerbaren Energien und später vollständige regenerative Abdeckung) werden u. a. für die Windenergie Ausbauziele errechnet, damit die entsprechende installierte Leistung deutlich ansteigt. 2 % der Fläche Deutschlands sollen demnach für Windenergieanlagen an Land ausgewiesen werden. Dazu werden die Länder verpflichtet.
  • Dieses Top-Down-Modell fokussiert ausschließlich auf die Flächen, die für Windenergiegebiete reserviert werden müssen. Damit geht ein radikaler Wandel in der Planung einher: es geht nun nicht mehr um Fragen, ob es eine konsistente regionsweite Planung von Vorranggebieten für Windenergie gibt, oder um die Frage, ob mit der Ausweisung der Windenergie genügend Raum eingeräumt wird. Ausschlaggebend ist alleine das Erreichen der vorgegebenen Flächenziele für Windenergiegebiete.
  • Diese Herangehensweise wird flankiert dadurch, dass erneuerbare Energien im überragenden öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit stehen sollen. Im Bereich des Anlagenbaus wird diskutiert, die europarechtlich geschützten bedrohten Vogelarten nicht mehr als Individuen zu schützen, sondern lediglich gruppenbezogen. D. h. das die Tötung einzelner Individuen danach zulässig wäre, wenn die Gruppe der geschützten Art insgesamt nicht bedroht ist.
  • Mit dieser neuen Planungsstruktur werden auch Regelungen wie 10H auf Länderebene sowie kommunale Konzentrationsflächen, aber auch regionale Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung im übrigen im Ergebnis unwirksam. Falls die Ziele nicht erreicht werden (siehe unten) bleiben im gesamten Bundesland bzw. im zuständigen Planungsgebiet im Außenbereich Windkraftanlagen privilegiert gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, ohne die Möglichkeit von Kommunen oder der Raumordnung, Konzentra-
    tionsflächen oder Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung für die restliche Fläche zu normieren. Im Endeffekt heißt das, dass dann für die Abstandsregeln lediglich die anlagenbezogenen Vorschriften des Bundes-
    imissionsschutzgesetzes gelten.

Falls aber die entsprechende Ziele erfüllt werden, können weitere Windkraftanlagen außerhalb der ausgewiesenen Windenergiegebiete, nur noch nach § 35 Abs. 2 BauGB als sonstige Anlagen genehmigt werden – also ein Anspruch auf eine solche Genehmigung nur schwer durchsetzbar ist.

Gemeinden können also in Zukunft bei der Windenergie nur noch über die Regionalen Planungsverbände mitsteuern, die in Bayern voraussichtlich zur Ausweisung der Windenergiegebiete als Vorrangfläche in den Regionalplänen zuständig werden.

2. Der Freistaat Bayern ist nach dem Windflächenbedarfsgesetz verpflichtet, bis Ende 2026 1,1 % der Landesfläche und bis spätestens Ende 2032 insgesamt 1,8 % der Landesfläche als Windenergiegebiet auszuweisen. Der Freistaat Bayern gibt diese Pflicht voraussichtlich an die Regionalen Planungsverbände weiter unter den folgenden Bedingungen:

  • Bis Ende 2026 müssen alle 18 Regionalen Planungsverbände in Bayern 1,1 % der Regionsfläche ausgewiesen haben. Die zusätzlichen Ausweisungsvorgaben bis Ende 2032 werden in einem zweiten Schritt festgesetzt. Die konkrete Aufteilung bis 2026 muss der Freistaat Bayern dem Bund vor dem 01.06.2024 nachgewiesen haben. Für die Region München folgt daraus: bei einer Fläche von 5.501 km² müssen bis Ende 2026 61 km² (= 1,1 %) als Windvorranggebiet ausgewiesen und an den Bund gemeldet worden sein. Das entspricht 6.051 ha. Nimmt man für die Region München den bayerischen Zieldurchschnitt von 1,8 % bis Ende 2032 an, wären es insgesamt 99 km² = 9.902 ha. Die Windgeschwindigkeit und Standortgüte ist in der gesamten Region so groß, dass grundsätzlich alle Teilflächen für die Ausweisung in Frage kommen.

3. Diese Regelungen werden eng verzahnt mit geänderten und neuen Normen des BauGB in Art. 2 des WaLG.

§ 249 enthält Sonderregelungen für Windenergieanlagen an Land. Im wesentlichen regelt er:

  • § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB findet auf die privilegierten Windenergie-
    anlagenvorhaben grundsätzlich keine Anwendung mehr, d. h. Konzentrationsflächenplanungen in den Gemeinden und Vorranggebiets-
    ausweisungen bei gleichzeitigem Ausschluss von Windkraftanlagen im restlichen Planungsgebiet durch die Regionalen Planungsverbände sind auf Dauer nicht mehr möglich.
  • Falls die o. g. Ziele erreicht werden, richtet sich zukünftig die Zulässigkeit der privilegierten Vorhaben für Anlagen von Windenergie nach § 35 Abs. 2 BauGB.
  • Zwar können die Länder bestimmen, dass die privilegierte Nutzung von Windenergie nur dann Anwendung findet, wenn sie bestimmte Mindestabstände einhalten. Dieser Mindestabstand darf aber höchstens 1.000 Meter betragen. In entsprechenden Landesgesetzen muss aber geregelt werden, dass solche Mindestabstände nicht für ausgewiesene Windenergiegebiete nach dem Windflächenbedarfsgesetz gelten.
  • Wenn Ende 2026 bzw. Ende 2032 die Flächenbeitragswerte nicht erreicht sind, bleibt es im jeweiligen Planungsgebiet (= Region München) bei der generellen Privilegierung von Windenergievorhaben gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Zugleich können Konzentrationsflächenplanungen in Flächennutzungsplänen und entsprechende Vorranggebiete mit Ausschluss-
    gebieten in Regionalplänen einem Vorhaben nicht mehr entgegen gehalten werden. Die Privilegierung von Windenergie wird also an die Zielvorgaben der Flächenbeitragswerte des Windflächenbedarfsgesetzes geknüpft (§ 249 Abs. 2 BauGB).
  • Nach der Überleitungsvorschrift zu den o. g. Regelungen in § 245 e Abs. 1 BauGB finden vorhandene Konzentrationsflächenplanungen bzw. entsprechende Planungen in Regionalplänen übergangsweise weiter Anwendung (wenn ein solcher Plan bis ein Jahr nach Inkrafttreten des WaLG wirksam geworden ist). Diese Wirkung entfällt jedoch grundsätzlich mit der erstmaligen Feststellung, dass der Regionale Planungsverband die Flächenbeiträge nach dem Windbedarfsgesetz erfüllt hat. Wenn diese Feststellung getroffen ist, endet die Fortgeltung der kommunalen Konzentrationsflächen oder regionalen Vorrangflächen. Spätestens endet sie mit dem 31.12.2026.
  • Repowering-Vorhaben können unabhängig von dieser Überleitungsvorschrift durchgeführt werden.

4. Falls das WaLG vom Bundestag beschlossen wird und die Befassung des Bundesrats keine weiteren Änderungen ergibt, tritt es sechs Monate nach der Verkündung in Kraft.

5. Vier Aspekte der geplanten Neuregelung können nicht deutlich genug betont werden:

(1) Die vom Bund vorgegebene Ausweisung von Flächenanteilen in % ist eine völlig andere Planungsstruktur als bisherige Konzentrationsflächen oder Vorranggebiete, jedenfalls in Hinsicht auf die räumliche Verteilung. Es kommt ausschließlich darauf an, in Bayern 1,1 % bzw. 1,8 % der Landesfläche insgesamt bis Ende 2026 und Ende 2032 als Windenergie-
gebiete auszuweisen und an den Bund zu melden.

(2) Eine Regelung wie 10H macht keinen Sinn mehr. Denn wenn eine solche Regelung ergäbe, dass das Flächenziel damit nicht erfüllt werden kann, wären Windenergievorhaben überall im Außenbereich privilegiert ohne weitere Einflussmöglichkeiten der Kommunen. Maximal können die Länder einen Abstand von 1.000 Meter vorgeben – jedoch eben nur dann, wenn auch damit die Flächenziele, die der Bund vorschreibt, erfüllt werden.

(3) Diese Planung neuen Typs bietet der Regionalplanung etwas mehr Bewegungsfreiheit und insbesondere bei der Interessensabwägung einen größeren Spielraum (regenerative Energie im überragenden öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit). Die Zeit bis 31.12.2026, in denen der Plan nicht nur beschlossen, sondern auch für verbindlich erklärt werden und von der Landesregierung an den Bund gemeldet werden muss, ist sehr knapp bemessen.

Der Regionale Planungsverband muss sofort mit den Vorarbeiten beginnen. Empfohlen wird ein entsprechender Aufstellungsbeschluss in der Planungsausschusssitzung am 20.09.2022, in der dann auch wichtige Eckpunkte der Planung mitbeschlossen werden. Diese Planung hat Priorität vor allen anderen Vorhaben im Regionalen Planungsverband. Denn falls es nicht gelingt, die Flächenziele zu beschließen und auszuweisen, wären alle Außenbereiche in der Region München privilegierte Flächen für Windkraftanlagen ohne die Möglichkeit der Kommunen oder des Regionalen Planungsverbands München, zu steuern.

(4) Die Kommunen verlieren durch diese Gesetzesänderung weitgehend ihre Möglichkeiten, Konzentrationsflächen auszuweisen, um Windenergievor-
haben zu steuern. Sie können aber mitsteuern im Rahmen des Regionalen Planungsverbands – d. h. auch, dass der Abstimmungsaufwand für die Ausweisung von Windenergieflächen für den Regionalen Planungsverband München besonders hoch sein wird. Das unterstreicht noch einmal, dass mit der Arbeit sofort begonnen werden muss und das andere Arbeiten im Zweifel zurückstehen müssen.

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

2. Für den Fall, dass das Wind-an-Land-Gesetz (WaLG) noch im Sommer 2022 beschlossen wird, soll der Planungsausschuss in seiner nächsten Sitzung einen grundsätzlichen Aufstellungsbeschluss für die Ausweisung von Windenergie-
gebieten im Regionalplan als Vorranggebiete beschließen.

3. Der Geschäftsführer und der Regionsbeauftragte werden beauftragt, für diesen Beschluss grundlegende Eckpunkte der Planung zu erarbeiten.

4. Für die Planung soll eine intensive Beteiligung insbesondere von Vertretern des Natur- und Umweltschutzes, von Landwirtschaft und Forsten sowie der Energiewirtschaft vorgesehen werden.

i.A. Breu
Geschäftsführer

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