Sitzung 31. März 2022

Drucksache 5/22

261. Sitzung des Planungsausschusses am 31.03.2022

V O R L A G E

des Verbandsvorsitzenden an den Planungsauschuss

TOP 5
Stadtentwicklungsplan 2040 - Entwurf

Anlage:
Stadtentwicklungsplan 2040 - Entwurf


I. VORTRAG

Der Entwurf des Stadtentwicklungsplans 2040 der LH München umfasst die zentralen Handlungsfelder Freiraum, Mobilität und Siedlungsentwicklung, ergänzt um Herausforderungen des Klimawandels und der Klimaanpassung, sowie das Postulat einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Region. Er stellt eine Entwicklungskonzeption für das Gebiet der Landeshauptstadt dar, enthält aber auch ausdrücklich Planungen für andere Teilräume der Region München. Der Entwurf des Stadtentwicklungsplans wurde vom Stadtrat beschlossen. Die Öffentlichkeitsphase beginnt im November 2021 und dauert bis ca. Mitte 2022.

Herr Torsten Brune, ltd. Baudirektor sowie Frau Karla Schilde, Baudirektorin im Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München, haben den Entwurf eines Stadtentwicklungsplans 2040 auf der Sitzung des Planungsausschusses am 21.09.2021 vorgestellt. Es gab bereits im Anschluss an die Präsentation einige Reaktionen aus dem Planungsausschuss.

Die Stellungnahme des RPV München erfolgt aus Sicht der Regionalplanung und Regionalentwicklung. Sie nimmt mögliche kommunale Stellungnahmen aus den Landkreisen nicht vorweg und ersetzt sie auch nicht. Sie spiegelt die Sicht der von den Gemeinden und Landkreisen sowie der Landeshauptstadt München in den Planungsausschuss entsandten PA-Mitglieder wider. Vorrangig nimmt der Planungsausschuss aus Sicht der überörtlichen Zusammenarbeit Stellung, also vor allem zu Stadtgrenzen überschreitenden Vorschlägen im Stadtentwicklungsplan 2040.

1. Anmerkungen zu den Elementen der Karte „München setzt auf eine partnerschaftliche Entwicklung der Stadtregion“ (s. 26/27 der Anlage)

  • „Regionale Grünzüge als Rückgrat stadtregionaler Freiräume konsequenter beachten“
    Diese Festlegung suggeriert, dass die Grünzugsfunktionen bislang wenig konsequent beachtet wurden. Tatsächlich hat sich aber das regionale Grünzugssystem in Planung und Umsetzung bewährt und wird ganz überwiegend in Stadt und Umland beachtet. Regionalplanerischer Maßstab ist immer die funktionsbezogene Bewertung einer geplanten Maßnahme.
     
  • „Interkommunale Landschaftsprojekte“
    Die geplanten Projekte im Nordosten, Norden und Nordwesten der Landeshauptstadt sind gemeinsam mit den betroffenen Kommunen zu planen und zu entwickeln. Grundsätzlich sind sie regionalplanerisch sehr zu begrüßen.
     
  • „Entwicklungskorridore entlang ÖV-Achsen und Autobahnen“
    Hier ist unklar, welche konkrete Intention damit verknüpft ist. Die Planungshoheit liegt bei den jeweiligen Gemeinden, für die überörtliche und überfachliche Koordination ist der Regionale Planungsverband München zuständig. Schon seit langem hat die Landesplanung das Konzept der Entwicklungsachsen, in denen eine stärkere Siedlungsentwicklung zulässig war, aufgegeben. Der Regionalplan will mit Trenngrüns jedenfalls eine durchgehende Achsenbildung und eine nicht mehr unterscheidbare Siedlungsstruktur der Gemeinden vermeiden. Er setzt darüber hinaus stark auf eine dezentrale Entwicklung in der Region, insbesondere in den ländlichen Räumen.
  • „Landschafts-, Siedlungs- und Freiraumentwicklung entlang der ÖV- und IV-Korridore“
    Auch hier liegt die Planungshoheit bei den jeweiligen Gemeinden. Die Entwicklungssignaturen weichen zum Teil von den Festlegungen der Regionalplanung ab. Sie umfassen z. B. alle S-Bahn und Bahnhalte und gehen damit über die im Regionalplan festgelegten „Hauptsiedlungsbereiche“ hinaus. Einzelne Haltepunkte wurden vom Regionalen Planungsverband nicht für eine stärkere Siedlungsentwicklung vorgesehen (in Abstimmung mit den Gemeinden).
  • „Landschafts-, Siedlungs- und Freiraumentwicklung am Stadtrand“
    Nachdem gänzlich neue größere Stadtteile wohl nur noch am Stadtrand möglich sind, muss gewährleistet sein, dass sie im Einklang mit den regionalen Grünzügen und den siedlungs-, versorgungsstrukturellen sowie verkehrlichen und Freiraumanforderungen der angrenzenden Umlandgemeinden entwickelt werden. Die angesprochene konstruktive Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden wird begrüßt.
  • „2. ÖV-Ring um die Stadt Suchkorridor / Planung“
    Der Suchkorridor liegt zum Teil weit außerhalb der früher untersuchten und diskutierten Streckenführung einer Stadt-Umland-Bahn. Es ist unklar, ob sich dies wirtschaftlich darstellen lässt. Unklar ist auch, wer eine solche Planung vorantreiben soll. Zuständig wäre der Freistaat Bayern. Ein Ausbau der Verknüpfungen als Busschnellstrecken erscheint dagegen wirtschaftlich darstellbar, und wurde vom MVV und PV initiiert. Inzwischen ist der Schnellbusring im MIVV in Betrieb.
  • „P+R Mobilitätshubs und Mobilitätsdrehscheiben“
    Unklar sind die Kriterien für die entsprechende Auswahl und Einstufung, z. B. wieso Peterhausen im Norden als „P+R Hub“ erscheint, andere große Verkehrsknoten wie z. B. Grafing Bahnhof nicht. Solche Projekte sollten gesamtregional abgestimmt werden.

2. Weitere Inhalte von gesamtregionaler Relevanz

  • Handlungsfeld Freiraum (S. 4/5 der Anlage)

    Das Handlungsfeld Freiraum mit der übergeordneten Zielsetzung, Münchens Freiräume weiterzuentwickeln, zu vernetzen und in das Umland hinein zu verstärken, deckt sich mit dem regionalplanerischen Ziel B II Z 4.5, nach dem für die Erholung und für das Mikroklima bedeutende innerörtliche Freiflächen zu sichern und mit der freien Landschaft zu vernetzen sind. Dabei sind auch interkommunale Landschaftsprojekte regionalplanerisch zu begrüßen, soweit sie gemeinsam mit den beteiligten Kommunen geplant werden.
  • Handlungsfeld Mobilität (S. 8/9 der Anlage)

    Im Handlungsfeld Mobilität sollen bis 2025 möglichst 80 % des städtischen Verkehrs mit abgasfreiem Kfz, im ÖPNV, zu Fuß oder auf dem Fahrrad zu bewältigen sein. Das betrifft zunächst den Modal Split der Wege. Angeregt wird, auch den Modal Split der Verkehrsleistung (Personenkilometer) als Grundlage hinzunehmen (56 % aller Personenkilometer in der Stadt München entfallen auf  MIV-Fahrer und Mitfahrer; bei den Wegen sind es lediglich 34 %). Die Betrachtung der Verkehrsleistung (Personenkilometer) zeigt auch die tatsächliche Verkehrsbelastung auf, weil die Wegstrecken dabei berücksichtigt werden.

    Bei den angesprochenen abgasfreien Kfz ist in Rechnung zu stellen, dass die lokal abgasfreien Kfz (das gilt auch für Elektroräder) nur in dem Maß CO²-frei sind, wie es der tatsächliche Strommix in Deutschland ist.

    Aus Sicht der regionalen Entwicklung ist die Intention der LH München, vor allem in ihrem Kern vorrangig auf den ÖPNV zu setzen, zu begrüßen. Weitere verkehrliche Ziele, Strategien und Maßnahmen, wie Ausbau des ÖPNV als Rückgrat der Mobilität, Stärken des Radverkehrs, Radschnellwege, tangentiale ÖPNV-Verbindungen, moderne Park & Ride-Anlagen (Mobilitätsstationen) sind auch Eckpunkte des regionalen Verkehrskonzeptes.
  • Handlungsfeld Klima (S. 16/17 der Anlage)

    In der Regel weisen weniger dicht bebaute Quartiere aufgrund aufgelockerter Bebauung eine gute bioklimatische Situation auf. Die vorgesehene starke Nachverdichtung insbesondere in der Nähe von oder in Grünstrukturen erscheint daher als besondere Herausforderung. Generell dürfen die Funktionen der regionalen Grünzüge in Stadt und Umland auch auf den überbauten Flächen nicht unwirksam werden. Neue Wohnbaugebiete sollen insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Klimaanpassung konzipiert werden, Hitzeinseln vermeiden und Biodiversität fördern.

3. Handlungsfeld Regionale Zusammenarbeit – Neue regionale Entschei-dungsstrukturen

Dieser Abschnitt des Entwurfs ist kritisch zu sehen. Er lautet (S. 25 der Anlage):

Neue regionale Entscheidungsstrukturen
Ein von den Städten und Gemeinden legitimiertes, interkommunales Gremium soll die Siedlungs-, Gewerbe, Freiraum-, Landschafts- und Mobilitätsentwicklung in München und der Region koordinieren und planen. Es unterstützt die Kommunen in ihren Planungen vor Ort und koordiniert deren Aktivitäten im regionalen Kontext. Das Gremium ist der zentrale Baustein einer gemeinsamen, nachhaltigen, starken und gut vernetzten Metropolregion.“

Solche Gremien und Strukturen bestehen bereits. Der Regionale Planungsverband München (RPV) ist die gesetzlich vorgesehene Institution für eine Koordination der genannten Themen soweit sie überörtlich bedeutsam sind. Er setzt einen verbindlichen Handlungsrahmen. Die Gesamtfortschreibung des Regionalplans wurde gemeinsam erarbeitet und ist am 01.04.2019 in Kraft getreten.

Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München (PV) wurde 1950 gegründet und unterstützt seine Mitglieder (Landeshauptstadt München, die acht Landkreise, 165 weitere Gemeinden und Städte) in allen Fragen ihrer räumlichen Entwicklung und plant für sie als Dienstleister. Er vertritt kommunale Interessen und engagiert sich für die Zusammenarbeit seiner Mitglieder sowie für eine zukunftsfähige Entwicklung des Wirtschaftsraums München.

Darüber hinaus existieren viele Strukturen der regionalen Zusammenarbeit in der Region München: z. B. Europäische Metropolregion München, Erholungsflächenverein, Verein Dachauer Moos, Heideflächenverein, Regionalmanagement München Süd-West, Isartalverein, Nordallianz, Kulturraum Ampertal, e.V., Interkommunales (Verkehrs-)konzept Raum München-Nord, Überörtliche Verkehrsplanung für den Raum München Ost, IBA). Diese Zusammenschlüsse beruhen auf einer freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Landkreisen, zum Teil auch Institutionen aus Wirtschaft und Gesellschaft.

Hinzu kommen z. B. Institutionen wie der MVV (LH München, acht Landkreise, Freistaat Bayern), der Flughafen München (LH München, Freistaat Bayern, Bundesrepublik Deutschland), die Messe München (LH München, Freistaat Bayern).

Alle zusammen bilden ein großes Netzwerk von Kooperationsstrukturen.

Gegen ein zusätzliches regionales Gremium von Gemeinden und Städten, das die o. g. Zusammenarbeitsformen ergänzt, spricht:

a) Es könnte nur auf Teilgebieten der räumlichen Entwicklung arbeiten. Gerade im Bereich Mobilität fehlen den Gemeinden Zuständigkeiten. Für überörtliche Straßen, Schieneninfrastruktur, ÖPNV allgemein, liegen diese Zuständigkeiten bei den Landkreisen, dem Freistaat Bayern, ggf. auch beim Bund. Auch im Bereich Naturschutz, Landschaftsschutz und Freiraum sind Landkreise und staatliche Behörden zuständig. Ebenso für viele Wirtschaftsthemen.

b) Es fehlt eine Rechtsgrundlage für Entscheidungen. Weder könnten räumliche Planungen das Gebiet von nicht teilnehmenden Kommunen umfassen, noch sind mögliche Abstimmungsregelungen sichtbar. Da Gemeinden ihre kommunale Planungshoheit nicht auf Dauer „abgeben“ können, bliebe nur ein Einstimmigkeitsprinzip, das wenig praktikabel ist.

c) Konkurrenzen zu den Aufgaben der bestehenden kommunalen und regionalen Zusammenarbeitsstrukturen wären unumgänglich und würden im Ergebnis eine gute Zusammenarbeit erschweren.

Vielmehr muss die bestehende Zusammenarbeit intensiviert und ausgebaut werden.

4. Die (Planungs) Region München versteht sich nicht als Stadtregion

„Unter einer Stadtregion versteht man in der Stadtgeographie „eine funktionsräumliche Einheit“, die „sich aus einer Kernstadt und einem Pendlereinzugsbereich zusammensetzt. Die Kernstadt umfasst dabei das Verwaltungsgebiet der zentralen Stadtgemeinde – der Central City im englischen Sprachraum – und ist mit einem Umland, aus dem Arbeitsplatzpendler, Bildungspendler und Konsumenten stammen, funktional verbunden“ (Fassmann 2009, 56) – aus Priebs, Die Stadtregion, 2019, Seite 11.“

Eine solche funktionale Betrachtungsweise aus zentraler städtischer Perspektive entspricht zum einen immer weniger den tatsächlichen Entwicklungen in der Region, zum anderen bekennen sich die Mitglieder des RPV München dazu, dass alle Räume der Region München gleichwertig sind. Sie sollen gleichwertige Entwicklungsmöglichkeiten und gleichwertige Einrichtungen der Daseinsvorsorge haben. Leitbild der regionalen Entwicklung ist eine großräumige Dezentralisierung und kleinräumige Konzentration, die die Überlastung im Verdichtungsraum verhindert und Entwicklungschancen im ländlichen Raum verbessert (Präambel des Regionalplans).

Ca. die Hälfte der Regionsfläche gehören dem Ländlichen Raum an, 110 Gemeinden gegenüber 76 Gemeinden im Verdichtungsraum. In diesen Gemeinden und Städten leben ca. 450.000 Einwohner. Auch die Versorgungsstrukturen haben sich dezentralisiert, vor allem im Rahmen des täglichen Bedarfs, aber auch generell durch immer größere Anteile des Internethandels. Großräumige Erholungsmöglichkeiten sind fast nur noch im ländlichen Raum anzutreffen, diese stehen zum Teil erheblich unter dem Druck von Tagesausflüglern. Gleichzeitig entstehen auch in den Landkreisen immer mehr Arbeitsplätze – so pendeln z. B. mehr Münchner zum Arbeiten in den Landkreis München als umgekehrt; auch der Landkreis Starnberg ist per Saldo inzwischen ein Einpendlerlandkreis geworden. Zunehmend werden Ausbildungsstätten, insbesondere auch im Bereich der Wissenschaften, im Umland angesiedelt.

Hinzukommen zwei aktuelle Entwicklungen, die die Eigenständigkeit teilregionaler Lebensräume fördern:

  • Hinwendung zu mehr Regionalität.
  • Ein höherer Anteil von Home-Office-Arbeitsmöglichkeiten, der zunehmend den tatsächlichen Arbeitsort vom Betriebsstandort abkoppeln kann.

5. Fazit

Handlungsfelder und Ziele, Strategien und Maßnahmen des STEP 2040 entsprechen zum Großteil regionalplanerischen Aussagen und werden begrüßt.

Die Vorschläge für neue regionale Entscheidungsstrukturen (siehe oben) sollen überarbeitet werden und stattdessen eine Intensivierung und Ausweitung der Zusammenarbeit im Rahmen der bestehenden vielfältigen Zusammenschlüsse auf kommunaler und regionaler Ebene angestrebt werden.


II. BESCHLUSSVORSCHLAG

1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

2. Der Vorsitzende wird beauftragt, als Stellungnahme aus regionalplanerischer Sicht zum Entwurf des Stadtentwicklungsplans 2040 die Inhalte dieser Drucksache 5/22 in der Fassung der Sitzung abzugeben.

 

i.A. Breu
Geschäftsführer

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