Sitzung 14. Oktober 2014

Drucksache Nr. 11/14

233. Sitzung des Planungsausschusses, 14.10.2014

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 2 
Ergebnisse des 2. Workshops zur Gesamtfortschreibung des Regionalplans München
Siedlung – Freiraum - Verkehr

Anlagen:

  1. Charts zum Vortrag von Herrn Bernd Kollberg, Intraplan Consult GmbH
  2. Charts zum Vortrag von Herrn Gerhard Winter, Regierung von Oberbayern

  

I. VORTRAG

1. Am 24.09.2014 fand der 2. Workshop zur Gesamtfortschreibung des Regionalplans München statt. Themen waren die Bereiche Siedlung und Verkehr. 30 Teilnehmer aus der Kommission und dem Beirat sowie weitere regionale Akteure nahmen an der Diskussion teil.

Herr Kollberg (Intraplan Consult GmbH) stellte Prognosen zur Verkehrsentwicklung vor (siehe beiliegende Charts).

Die Verkehrsprognose 2030 im Rahmen der aktuellen Bundesverkehrswegeplanung basiert auf den Einwohnerprognosen 2010 bis 2030 und der Veränderung des BIP 2010 bis 2030. Die Verkehrsleistungen im Personenverkehr (Mrd. Pkm) werden bis dahin insgesamt um 12 % zunehmen. Die Verkehrsleistungen für die Fahrten zur Arbeit und für die Ausbildung machen nur noch 20 % der gesamten Verkehrsleistung aus. Hingegen nehmen Freizeit- und Urlaubsverkehr inzwischen fast 50 % der Verkehrsleistungen ein. Obwohl die Verkehrsleistungen der Bahn und im öffentlichen Schienenpersonenverkehr ebenso wie Pkw-Verkehr prozentual deutlich steigen, macht die Verkehrsleistung des Pkw im Jahr 2030 voraussichtlich 70 % aller Verkehrsleistungen aus. Die Verkehrsleistungen im Rad- und Fußverkehr steigen nicht weiter. Im Radverkehr ist ein Plus von 8 % zu verzeichnen, hingegen im Fußverkehr ein Minus von 8 %. Wegen der relativ geringen Entfernungen, die mit dem Rad und zu Fuß zurückgelegt werden, betragen sie lediglich 5 % der Verkehrsleistung im Jahr 2030.

Im Güterverkehr sollen die Verkehrsleistungen (Mrd. tkm) insgesamt um 38 % zunehmen. Generell lässt sich zu den Prognosen festhalten, dass nach einer räumlichen Differenzierung die Zunahme in Bayern und vor allem in der Region München sowohl im Personen- also auch im Güterverkehr überproportional erfolgen. Dort, wo die Auslastung der Infrastruktur bereits heute hoch ist, wie in der Region München, wird sie durch weiteren Verkehrsdruck noch deutlich zunehmen.

Eine zweite Prognose für den MVV-Raum 2010 bis 2025 hat das Ziel, einen Bezugsfall für 2025 zu schaffen, der als Basis für die Bewertung von Ausbauprojekten im öffentlichen Verkehr dient. Für diese Datenbasis wurden Prognosedaten der Einwohner aus dem Jahr 2010 verwendet, ebenso für die Erwerbstätigen. Die Prognose setzt voraus, dass eine ganze Reihe von wichtigen Ausbau- und Neubauangeboten im ÖV und MIV erfolgt sind. Z. B. der Neubau der 2. Stammstrecke inkl. netzergänzender Maßnahmen, bei den Straßen z. B. die Verlängerung der Schleißheimer Straße bis zur A 99 mit einem Anschluss, der Lückenschluss auf der A 94 zwischen Forstinning und Ampfing, sowie Ortsumgehungen (z. B. Freising, Nordumgehung Erding, etc.). Nach dieser Prognose nimmt der Binnenverkehr in der LH München im ÖV um 12 %, im MIV um 9 % zu (gemessen in Fahrten). Deutlich stärker steigt der Anteil des ÖV zwischen LH München und Umland um 27 %, im MIV um 12 %. Auch im MVV-Raum außerhalb der LH München nehmen die Fahrten im ÖV um 28 % zu, im MIV um 9 %.

Der Modal Split der Fahrten (nicht der Kilometerleistungen) prognostiziert einen Anteil der ÖV-Fahrten in der LH München von ca. 51 %, im Verkehr zwischen LH München und Umland von etwa 37 % (plus 3 %-Punkte) und im Verkehr außerhalb der LH München einen Anteil des ÖV von 13 %.

Insgesamt wächst also der ÖV bis 2025 stärker als der MIV, wobei jeweils die unterschiedliche Ausgangsbasis zu beachten ist. Besonders wächst der ÖV in der Beziehung LH München – Umland. Dieses Prognoseergebnis ist vor allem durch den Bau der 2. Stammstrecke und netzergänzende Maßnahmen im ÖV bedingt. Durch weitere ÖV-Ausbaumaßnahmen kann die Verkehrsmittelwahl weiter zu Gunsten des ÖV verbessert werden. Herr Winter, der Regionsbeauftragte für die Region München, ergänzte die Prognosen von Herrn Kollberg um die aktuellen Daten. Derzeit leben 2,8 Mio. Einwohner in der Region München, es gibt 1,8 Mio. Beschäftigte und 1,4 Mio. Wohnungen. Bis 2030 wird ungefähr mit 300.000 Einwohnern mehr, 250.000 Beschäftigten mehr und einem weiteren Wohnungsneubaubedarf von 250.000 gerechnet. Nach wie vor wird voraussichtlich die Zahl der Haushalte stärker steigen als die Zahl der Einwohner.

Herr Winter stellt die monozentrische Siedlungsstruktur der Region 14 mit den entsprechenden Freiflächen zwischen den Siedlungsachsen vor, sowie die Hauptinhalte des derzeitigen Regionalplans (siehe beiliegende Charts).
Er plädiert für ein grundsätzliches Beibehalten der radial angelegten monozentrischen Siedlungsstruktur mit der Konzentration der Siedlungsentwicklung auf SPNV-Achsen. Verstärkt soll darauf geachtet werden, dass Wohnen und Arbeiten harmonisiert wird, d. h. dass der Ausweisung von Gewerbegebieten auch entsprechende Wohngebiete gegenüberstehen. Die Erhaltung von Freiräumen und Grünzügen wird durch die weitere Konzentration der Entwicklung an den Schienenachsen unterstützt.

Zusätzlich soll intensiv geprüft werden, ob und wie tangentiale Verkehrsverbindungen im engeren Umland der LH München sinnvoll sind. Dabei muss auch bedacht werden, dass mit tangentialen Verkehrsverbindungen der Siedlungsdruck auf die für den Luftaustausch und die Erholung wichtigen Freiräume zunehmen wird. Hierzu bedarf es dann der Auseinandersetzung und Positionierung im RPV, wie mit dieser veränderten Standortgunst umzugehen ist.

  
DISKUSSION

1. Zu den unterschiedlichen Prognosegrundlagen in den beiden Referaten wurde klargestellt, dass diese auf unterschiedliche Basiszeitpunkte zurückgehen. Man könnte mit Szenarien arbeiten, um das Problem zu umschiffen. Eine andere Möglichkeit ist die regelmäßige Überprüfung der Prognosen, wie sie das Statistische Landesamt im Rahmen der Bevölkerungsprognose für Bayern inzwischen jährlich vornimmt. Beachtenswert ist, dass gerade in den letzten drei Jahren die Beschäftigtenentwicklung in der Region enorm zugelegt hat. Die Zahl der Beschäftigten im Jahre 2013 übertrifft bereits die prognostizierte Entwicklung für 2025.

Eine Einordnung der Prognosewerte ergibt also, dass die vorgestellten Verkehrsprognosen eher am unteren Rand des zu Erwarteten liegen. D. h., dass die o. g. Zahlen Mindestgrößen darstellen und durchaus noch deutlich ansteigen können.

2. Zur generellen strategischen Entwicklung der Region München in puncto Verkehr und Einwohner- / Arbeitsplatzentwicklung ist einerseits der Blick nach außen erforderlich. Die tatsächlichen Verflechtungen finden zwar immer noch ganz überwiegend innerhalb der Grenzen der Planungsregion statt (etwa 80 % der Arbeitnehmer in der Region München wohnen auch in der Region München), aber eine deutliche und vor allem prozentual schnell steigende Zunahme der Verflechtungen über die Regionsgrenzen hinaus erfordert eine verstärkte Kooperation mit den Nachbarn. Auch im Regionalplan, der sich ja mit seinen Normen auf den Planungsraum der Region 14 beziehen muss, könnte ein entsprechendes Kooperationsziel eingearbeitet werden.

Auf der anderen Seite ist die Innenentwicklung in der Region München neu zu thematisieren. Insbesondere sollen keine Schlafstädte bzw. Schlaforte entstehen oder gefördert werden.

3. Die zukünftige Siedlungsstruktur soll sich im wesentlichen an der jetzigen Struktur orientieren. D. h. nicht nur Wohnen, sondern auch Gewerbe soll weiterhin verstärkt an den Entwicklungsachsen der Region angesiedelt werden. Im verkehrlichen Bereich müssen diese Achsen verstärkt werden, ergänzt um tangentiale Verbindungen (z. B. eine Stadt-Umland-Bahn oder Bussystem).

4. Im Hinblick auf die Prognose der Verkehrsleistungen von unterschiedlichen Verkehrsarten ist angesichts der hohen Zuwächse in allen Bereichen ein Gegeneinanderausspielen einzelner Verkehrsarten nicht zielführend. Auch wenn das Auto weiterhin nach der Verkehrsleistung ein deutliches Übergewicht hat, relativiert sich dieses dann, wenn man die Verkehrswege zugrunde legt. Einigkeit herrscht darin, dass es im Straßenbereich in der Region München eher um den Ausbau oder Lückenschluss und vor allem die Instandhaltung des Straßennetzes geht. Demgegenüber sind im ÖPNV, vor allem auf der Schieneninfrastruktur, erhebliche Neubaumaßnahmen erforderlich (2. Stammstrecke, Erdinger Ringschluss, Ausbau und Neubau an den Außenästen, Elektrifizierung, etc.). Auch im Betrieb ist das System des ÖPNV in der Region München weit unterfinanziert.

Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass die Finanzierung wesentlicher Maßnahmen im ÖPNV noch nicht gesichert ist, insbesondere diejenige der 2. Stammstrecke. Falls die 2. S-Bahn-Stammstrecke nicht wie vorgesehen gebaut werden kann, würde das eine Verschiebung des Modal Splits zu Lasten des ÖV´s bedeuten.

Es wurde gefordert, dass hinsichtlich der Entwicklung der Region München, insbesondere bei den vordringlichen Maßnahmen der Verkehrsinfrastruktur, der Freistaat Bayern stärker in die Verantwortung zu nehmen ist. Schließlich werde der überwiegende Anteil der Steuermittel in Oberbayern und hier wiederum der Löwenanteil in der Region München erwirtschaftet.

Die regionale Diskussion und der Regionalplan müssen neben dem Thema Straße und Schiene auch eine ganze Reihe weiterer Verkehrsarten und Verkehrsverknüpfungen beinhalten. Vor allem im Nahbereich nehmen Fuß- und Radverkehre einen hohen Verkehrsanteil (nach Wegen) ein. Auf das Projekt zu Radschnellverbindungen im Umland der LH München wurde hingewiesen. Angebote wie Car-Sharing und Elektromobilität sollen ebenfalls im Regionalplan berücksichtigt werden. Eine zunehmende Bereitschaft und Tendenz hin zur Multimobilität ist in der Bevölkerung erkennbar. Deshalb werden die Verknüpfungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Verkehrsarten, wie Park & Ride, Bike & Ride, Information über Fahrzeiten und Standorte von Mobilitätsmöglichkeiten immer wichtiger.

5. Eine reine Verlängerung der S-Bahnen nach außen hin macht wegen der zunehmenden Fahrzeiten keinen Sinn. Diskutiert werden müssen Expressbahnsysteme bzw. die Verbesserung des Regionalverkehrs im ganzen Wirtschaftsraum München, also deutlich über die Grenzen der Planungsregion hinaus.

Für die Frage, ob der MVV-Tarif durch einen gemeinsamen Tarif im größeren Raum (z. B. EMM) ersetzt werden kann oder soll, hat die EMM ein Gutachten vergeben. In diesem Gutachten werden die Möglichkeiten einer stärkeren Zusammenarbeit im ÖPNV bis hin zu gemeinsamen Tarifstrukturen überprüft. Auch wenn der Regionalplan sich mit tariflichen Einzelfragen nicht beschäftigen soll, ist dieses Gutachten sehr zu begrüßen. Die Auswirkungen möglicher Reformen auf die regionale Entwicklung müssen in die Diskussion um den Regionalplan einfließen.

6. Keine eindeutige Meinung ergab sich zum Thema Harmonisierung von Wohnen und Arbeiten. Auf der einen Seite steht der Ansatz, für die Ausweisung von Gewerbeflächen auf der gleichen Planebene und zur gleichen Zeit die Ausweisung von Wohnbauflächen in derselben Gemeinde zu fordern.

Dagegen gibt es auch Vorbehalte. Dies sei aus zwei Gründen ein relativ untaugliches Mittel. Zum einen macht der Verkehr zwischen Wohn- und Arbeitsort nur noch ca. 20 % der gesamten Verkehrsleistung aus. Dominierend ist der Freizeitverkehr in der Region München.

Zum zweiten sei unklar, ob eine solch generelle Festlegung nicht an der Realität in den unterschiedlichen Gemeinden vorbeigeht: etliche Gemeinden leiden nicht unter einem zu geringen Anteil von Wohnen, sondern eher unter zu wenig Gewerbe. Es muss in der von den Kommunalgrenzen her sehr kleinteiligen Region München möglich sein, eine solche Harmonisierung nicht auf Gemeindeebene, sondern in einem größeren räumlichen Zusammenhang zu betrachten. Welche Ebene das sein könnte, blieb allerdings auch offen ( > Kommunale Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden).

7. In diesem Zusammenhang, der mangelnden Arbeitsplatzausstattung in etlichen Bereichen, insbesondere in den ländlichen Räumen der Region München wurde angemerkt, dass der nach wie vor völlig unzureichende Breitbandausbau ein großer Hemmschuh gegen die Ansiedlung von Betrieben ist. Es wäre zu überlegen, ob ein solcher forcierter Ausbau nicht wesentlich bessere Ergebnisse für mehr Arbeitsplätze im bisher unterversorgten ländlichen Raum erreichen könnte als ein planerisches Harmonisierungsgebot.

  

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

  

i.A.
Breu
Geschäftsführer 


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