Sitzung 15. Februar 2005

Drucksache Nr. 4/05

188. Sitzung des Planungsausschusses, 15.02.2005

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 3b 
Errichtung eines Fahrradfachmarktes in der Stadt Garching b. München

Anlagen:

Stellungnahme des Regionsbeauftragten
Lageplan (nicht in der Online-Fassung)

  

I. VORTRAG

Die Regierung von Oberbayern beteiligt den Regionalen Planungsverband München an einem RO-Verfahren für die Errichtung eines Fahrradfachmarktes in der Stadt Garching b. München im Gewerbegebiet Hochbrück.

1. Die Fa. Zweirad-Center Stadler GmbH aus Regensburg plant dort eine Gesamtverkaufsfläche von 4000 qm. Diese verteilen sich wie folgt auf die Sortimente:

  • Fahrräder1300 qm
  • Fahrradteile 800 qm
  • Fahrradzubehör 400 qm
  • Fahrradbekleidung 600 qm
  • Heimsport 900 qm.

Daneben sind noch Werkstätten und Servicecenter, Kinderspielecken, Bistro und Fahrradteststrecke, sowie Lagerflächen von 4500 qm vorgesehen. Insgesamt umfasst das Vorhaben ca. 20.000 qm genutzte Fläche.

2. Das Projekt steht in dem vorgesehenen Umfang nicht mit den Zielen der Landes- und Regionalplanung in Einklang. Dies ergibt sich aus folgendem:

a) Maßstab für die Beurteilung ist zum einen die im Regionalplan München enthaltenen Ziele (B IV 2).4 sowie die detaillierte Vorschrift des Bayerischen Landesentwicklungsprogramms (B II 1.2.1, insbesondere Unterpunkt 1.2.1.5).

b) Der Standort des geplanten Fahrradfachmarktes bedarf einer näheren, bisher in den Unterlagen nicht enthaltenen Begründung für die städtebauliche Randlage. Zwar ist der Siedlungsschwerpunkt Garching b. München für großflächigen Einzelhandel geeignet (LEP B II 1.2.1.5). Jedoch sollen nach demselben landesplanerischen Ziel Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte grundsätzlich in städtebaulich integrierten Lagen und mit entsprechender Anbindung an den ÖPNV ausgewiesen werden. Zu einer städtebaulich integrierten Lage fehlt es dem ins Auge gefassten Standort am fußläufigen Einzugsbereich eines Wohnstandorts. Allerdings kommen in geeigneten Einzelfällen auch sog. städtebauliche Randlagen in Frage, wenn nachgewiesen wird, dass in der Gemeinde geeignete städtebaulich integrierte Standorte fehlen. Diesen Nachweis muss die Stadt Garching in Hinblick auf LEP B II 1.2.1.5 noch führen.

c) Auch unterstellt, dass dieser Nachweis geführt wird, ist das Vorhaben in wesentlichen Sortimentsbereichen nicht mit den landes- und regionalplanerischen Ziel, die Funktionsfähigkeit zentraler Orte sowie die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich nicht wesentlich zu beeinträchtigen, vereinbar (RP 14 B IV Z 2.4.3.2). Das LEP unterscheidet diesbezüglich in innenstadtrelevante und nicht innenstadtrelevante Sortimente.

  • Nicht innenstadtrelevantes Sortiment. In der Tabelle des LEP (Anhang zur Begründung des Ziels B II 1.2.1.5) werden Fahrräder den innenstadtrelevanten Waren zugeordnet. Mit einem Schreiben vom 26.08.2004 teilt das Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie mit, dass das Sortiment „Fahrrad" künftig den nicht innenstadtrelevanten Sortimenten zuzuteilen ist. Diese Änderung sei veranlasst durch die zunehmende Sortimentstiefe und Spezialisierung geplanter Fahrradmärkte sowie die Sperrigkeit der Güter. Es werde gebeten, diese Änderung bei der landesplanerischen Beurteilung von großflächigen Fahrradmärkten zu beachten.
     
    In Hinblick auf die Situation in Garching, wo noch zwei Fahrradgeschäfte existieren, ergeben sich zumindest Zweifel an der Einstufung des Sortiments „Fahrräder" als nicht innenstadtrelevantes Sortiment. Eine solche Einstufung könnte sowieso (Sperrigkeit der Güter) nur für die Fahrräder, die Fahrradteile und das Fahrradzubehör gelten, nicht jedoch für die Fahrradbekleidung, die als Sportartikel auf jeden Fall weiterhin den innenstadtrelevanten Waren zugeordnet werden muss.
     
  • Nach dem LEP dürfen die nicht innenstadtrelevanten Sortimente höchstens 25 % der sortimentspezifischen Kaufkraft im Einzugsbereich des jeweiligen Vorhabens abschöpfen. Dabei ist der vom Projektträger angegebene betriebswirtschaftliche Einzugsbereich des Vorhabens auf seine Plausibilität hin zu überprüfen.
     
    Diese Prüfung führt vorliegend dazu, dass der Einzugsbereich wenig schlüssig erscheint. Die Unterlagen sprechen einmal von 2,1 Mio Einwohnern, ein anderes Mal von 2,5 Mio Einwohnern. Dabei werden vom Projektträger das gesamte Gebiet der LH München, der Landkreis München Nord mit „283.000 Einwohnern", die Landkreise Fürstenfeldbruck, Dachau, Erding und Freising mit zusammen knapp 600.000 Einwohnern und die Städte Augsburg, Landshut und Ingolstadt mit 275.000, 60.000 und 115.000 Einwohnern zugrunde gelegt. Dies ist unrealistisch. Insbesondere erscheint die vollständige Zurechnung der Einwohner Münchens für einen im Norden der Stadt gelegenen Fahrradmarkt als unwahrscheinlich, ebenso wie die völlige Zurechnung der Städte Augsburg, Landshut und Ingolstadt. Auch kann der Landkreis München Nord nicht mit 283.000 Einwohnern berücksichtigt werden, wenn der gesamte Landkreis München über 304.000 Einwohner verfügt.
     
    Selbst bei großzügigster Betrachtungsweise wird der Einzugsbereich max. 2 Mio Einwohner ausmachen. Damit ergeben sich potentielle Entfernungen um den Standort von bis zu 60 km und Fahrtzeiten von über einer Stunde mit dem Kfz bzw. öffentlichen Verkehrsmitteln.
     
    Nimmt man den pro Kopf-Umsatz für die Warengruppe Fahrräder mit 23 € an und schließt Fahrradzubehör und Fahrradteile mit ein, so bewegt sich zwar die geplante Verkaufsfläche für diese Warengruppen von 2500 qm innerhalb der vom LEP vorgegebenen Abschöpfungsquoten.
     
  • Anders verhält es sich bei den innenstadtrelevanten Sortimenten. Dort sind die Abschöpfungsquoten bei weitem überschritten. Dazu zählen die 900 qm Verkaufsfläche Heimsportartikel, die nach der Liste im LEP als Sport- und Campingartikel den innenstadtrelevanten Waren zugeordnet werden. Dies gilt darüber hinaus für die Fahrrad- und Sportbekleidung, die ebenfalls als Sportartikel den innenstadtrelevanten Waren zugeordnet werden muss.
     
    Nach dem LEP-Ziel B II 1.2.1.5 dürfen solche innenstadtrelevanten Sortimente des sonstigen Bedarfs höchstens 30 % der sortimentspezifischen Kaufkraft im Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels für die ersten 100.000 Einwohner abschöpfen. Dieser Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels der Stadt Garching b. München beträgt nach der bayernweit einheitlich zu verwendenden GfK-prisma Datengrundlage 15.512 Einwohner. Nachdem die Stadt Garching mit dem Gebiet der LH München städtebaulich nicht eng verknüpft ist, kommt eine Anrechnung der Kaufkraft der LH München für die innenstadtrelevanten Sortimente nach dem LEP nicht in Frage.
     
    Die Flächenproduktivität der Sportartikel wird von der BBE-Handelsberatung pauschal mit 2800 €/qm angegeben. Dies bedeutet für die 1500 qm Verkaufsfläche Fahrradbekleidung und Heimsport bei einem vorhandenen Kaufkraftpotential von ca. 1,5 Mio € eine Abschöpfungsquote von über 250 %. Landes- und regionalplanerisch zulässig wäre jedoch nur eine max. Verkaufsfläche für diese innenstadtrelevanten Sportartikel von ca. 160 qm.

d) Verkehr Der Standort ist an den U-Bahnhaltepunkt Garching-Hochbrück und über die A 9 und B 13 sowie B 471 als wichtige überörtliche Straßenverbindung grundsätzlich gut angeschlossen. Allerdings bedarf das vom Projektträger mit 100 Pkw/Tag und 25 Lkw/Jahr geschätzte Verkehrsaufkommen einer Korrektur – dies ist angesichts eines angegebenen Kundeneinzugsbereichs von 2 Mio und mehr Einwohnern kaum nachvollziehbar. Aus regionalplanerischer Sicht ist vor allem für den kleinräumig abzuwickelnden Verkehr ein tragfähiges Verkehrsgutachten erforderlich. Dies auch deshalb, weil es im Bereich zwischen dem Autobahnkreuz München Nord und dem Autobahnkreuz Neufahrn erheblichen zusätzlichen Verkehr aufgrund verschiedener Planungen gibt.

3. Bis zur Drucklegung dieser Vorlage sind der Geschäftsstelle folgende Äußerungen vom am RO-Verfahren beteiligten Mitgliedern des Regionalen Planungsverbands bekannt geworden:

Die Gemeinde Eching, die Stadt Erding und die Gemeinde Oberschleißheim erheben keine Einwendungen zu diesem Projekt.

Die Stadt Freising bittet darum, bei der Beurteilung des Vorhabens auch die Belange der ortsansässigen Betriebe zu berücksichtigen und Auswirkungen des Einzelhandelsgroßprojekts auf den Einzelhandel in der Umgebung möglichst zu vermeiden. In Hinblick auf das derzeit in Erarbeitung befindliche regionale Einzelhandelskonzept wird angeregt, auch diesbezüglich eine Abstimmung mit dem Projekt vorzunehmen. Die Gemeinde Unterföhring erhebt Einwendungen aus strukturellen Gründen und verkehrlichen Belangen.

Die LH München spricht sich nicht grundsätzlich gegen die Ansiedlung eines Fahrradfachmarkts in Garching aus, macht aber aus mehreren Gründen erhebliche Bedenken geltend. Der Einzugsbereich sei unrealistisch. Es dürften nicht alle Einwohner der LH München, sondern nur die in den nördlichen Stadtbezirken berücksichtigt werden. Dies führe zu einem reduzierten Einzugsbereich von 1,4 Mio Einwohnern und einer max. zulässigen Verkaufsfläche von knapp 2700 qm. Grundsätzliche Bedenken bestünden auch gegen die Einstufung des gesamten Sortiments als nicht zentrenrelevant, vor allem im Hinblick auf über 100 Fahrradhändler allein im Münchner Stadtgebiet sowie viele entsprechende Einzelhandelsfachgeschäfts im Bereich Sportartikel und Sportbekleidung. Das Warenlager mit 4500 qm sei im Verhältnis zu den beantragten Verkaufsflächen sehr groß dimensioniert. Der Standort des Vorhabens in nichtintegrierter Lage sei wegen des beträchtlichen Anteils zentrenrelevanter Sortimente in Frage zu stellen. Zweifel bestünden auch an der prognostizierten Irrelevanz der zu erwartenden Verkehrsbelastung. Weder die Größenordnung des Kfz-Verkehrs noch das angegebene Lkw-Aufkommen mit lediglich 25 Lkw/Jahr erscheint zutreffend zu sein.

Die Stadt Dachau befürchtet durch den großflächigen Fahrradfachmarkt eine übermäßige Kaufkraftabschöpfung aus dem Mittelzentrum Dachau. Weil einige kleinere Fahrradgeschäfte überwiegend im Innenstadtbereich sowie Sportfachmärkte mit dem gleichen Sortimentsangebot vorhanden seien, befürchte sie ein Ausbluten der ansässigen Fahrradfachgeschäfte und eine Verschlechterung der Versorgung in diesem Sortimentsbereich in Dachau. Es sei zu befürchten, dass der Individualverkehr weiter ansteige. Der Einzugsbereich der Projektbeschreibung sei widersprüchlich; unverständlich, weshalb aus diesem Einzugsbereich nur einige wenige Gemeinden und Landkreise am RO-Verfahren beteiligt werden.

In der öffentlichen Sitzung des Stadtrats der Stadt Garching am 27.01.2005 wurde folgendes beschlossen:

„Der Stadtrat lehnt es mehrheitlich ab, unter folgender Maßgabe dem RO-Verfahren für die Ansiedlung eines Fahrradmarktes in der Stadt Garching Gewerbegebiet Hochbrück, Gutenbergstraße 1 zuzustimmen,

  • Vorlage eines Verkehrsgutachten mit Nachweis der Möglichkeit, das objektiv zu erwartende Verkehrsaufkommen zu bewältigen,
  • Verzicht auf das innenstadtrelevante Randsortiment Heimsport
  • Beschränkung der Verkaufsfläche auf 4000 qm.

Des weiteren wird die Firma Stadler aufgefordert, mit den ortsansässigen Fahrradhändlern eine von allen Beteiligten akzeptierte Lösung zu finden, mit der eine wirtschaftliche Chance der weiteren Existenz gesichert wird."

  

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

  2. Der Regionale Planungsverband München lehnt das Vorhaben in der derzeit projektierten Form ab.

  

i.A.
Breu
Geschäftsführer 


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