Sitzung 04. Mai 2004

Drucksache Nr. 13/04

184. Sitzung des Planungsausschusses, 04.05.2004

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 4 
Erfahrungen mit dem neuen LEP-Ziel zum Einzelhandel

Anlage:

Stellungnahme des Regionsbeauftragten vom 29.01.2004

  

I. VORTRAG

Zuletzt stand das Thema auf der Tagesordnung des Planungsausschusses am 17.02.2004, wurde jedoch auf heute vertagt.

Anlass für diesen Bericht sind u.a. kritische Reaktionen aus der Region München zum Einzelhandelsziel des LEP 2003. Letztes Jahr hat sich der Bürgermeister des Mittelzentrums Fürstenfeldbruck, Herr Kellerer, an die Geschäftsstelle gewandt und darum gebeten, die Frage, wie Verflechtungsbereiche nunmehr definiert werden, in den Gremien des Regionalen Planungsverbands zu behandeln.

Die Beschäftigung mit der Rechtslage nach dem LEP 2003 ist auch deshalb sinnvoll, weil im Zuge der angekündigten Strukturreform von Landes- und Regionalplanung zu erwarten ist, dass das sog. Einzelhandelsziel ebenfalls auf den Prüfstand kommt.

Umstritten ist vor allem ein Bereich der Neuregelung: Das sind die Beurteilungsgrundlagen für die Verkaufsflächen der zentrenrelevanten Sortimente. Sie hängen nach dem LEP 2003 von dem jeweiligen Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels ab. Diese Verflechtungsbereiche wurden bayernweit von der Gesellschaft für Konsumforschung ermittelt.

1. Der Planungsausschuss hatte sich am 06.11.2001 intensiv mit dem damaligen Vorschlag des Freistaats zum LEP-Einzelhandelsziel geäußert und u.a. folgendes moniert:

  • Ungeklärt sei, nach welchen Kriterien der Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels zugeschnitten sein soll. Es werde auch davor gewarnt, bei nicht zentrenrelevanten Sortimenten den Einzugsbereich, den der Projektentwickler festlegt, ungeprüft zu übernehmen.
     
  • Die Sonderregelung für die Stadt- und Umlandbereiche u.a. Münchens werde abgelehnt und solle gestrichen werden. Die Voraussetzungen – enge städtebauliche, räumlich funktionale und verkehrsmäßige Verflechtung mit der Kernstadt sei unklar. Diese Ausnahmeregelung führe zu einer nicht einsehbaren Bevorzugung einiger Siedlungsschwerpunkte im Umland von München zu Lasten des ländlichen Raums, zu Lasten der Unterzentren und Mittelzentren und zu Lasten der LH München. Im Ergebnis bedeute dies eine Konkurrenzlenkung hin überwiegend in den Umlandbereich der Kernstadt.
     
  • Vor allem warnte der Planungsausschuss vor der Kombination der Ausnahmeklausel für den Stadt-Umlandbereich und der für städtebaulich nicht integrierte Lagen. Gerade bei den in Frage kommenden eng mit der LH München verflochtenen Siedlungsschwerpunkten seien integrierte Lagen in entsprechender Größenordnung nur noch schwer zu finden. Die städtebauliche Randlage werde die Regel und nicht die Ausnahme sein.

2. Hinsichtlich des generellen Vergleichs zwischen LEP-Ziel 2003 und der bis dahin geltenden Handlungsanleitung 1995 wird auf die Stellungnahme des Regionsbeauftragen (Anlage 1) verwiesen. Im Zentrum der Diskussion stehen die zentrenrelevanten Sortimente des sonstigen Bedarfs (also nicht die Lebensmittel). Für die zulässigen Verkaufsflächen ist dabei der jeweilige Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels maßgebend. Vergleicht man ihn mit dem bis dahin geltenden Prüfungsmaßstab, dem landesplanerischen Verflechtungsbereich, ist für die Region München vor allem folgendes anzumerken:

a) Die Unterzentren und Siedlungsschwerpunkte insgesamt können auf die Kaufkraft einer um 8 % geringere Einwohnerzahl als vor der Neuregelung zurückgreifen. Nur in Garching übersteigt die Einwohnerzahl des Verflechtungsbereichs des innerstädtischen Einzelhandels die vorher maßgebliche Einwohnerzahl der Stadt geringfügig.

b) Bei den zentralen Orten höherer Stufe ohne die LH München, also mögliches Mittelzentrum aufwärts, haben demgegenüber die maßgeblichen Einwohnerzahlen in den Verflechtungsbereichen des innerstädtischen Einzelhandels gegenüber der zuvor einschlägigen Berechnungsgrundlage um durchschnittlich 21 % abgenommen. Lediglich im möglichen Mittelzentrum Dorfen übersteigt die Einwohnerzahl des Verflechtungsbereichs den früheren maßgeblichen Wert um 27 %.

c) In der LH München ist einerseits die Einwohnerzahl im Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels mit ca. 2,8 Mio Einwohner zwar um 64 % größer als die des zuvor maßgeblichen Verflechtungsbereichs. Allerdings führt die Regelung des LEP zu einer insgesamt um 42% geringeren zu berücksichtigenden Einwohnerzahl im Verflechtungsbereich als nach der Handlungsanleitung. Dies liegt daran, dass im Bereich der zentrenrelevanten Sortimente für die ersten 100.000 Einwohner 30 % und darüber hinaus lediglich 10 % der Kaufkraft im jeweiligen Verflechtungsbereich des innerstädtischen Einzelhandels als Berechnungsgrundlage angesetzt werden. Früher waren es 30 % des gesamten Verflechtungsbereichs.

d) Stadt-Umlandklausel. Siedlungsschwerpunkte, die mit der LH München städtebaulich, räumlich funktional und verkehrsmäßig eng verflochten sind, können zusätzlich auf 15 % der für die LH München maßgeblichen Kaufkraft zurückgreifen. Dies bedeutet, dass bei einer entsprechenden Verflechtung zusätzlich auf die Kaufkraft von knapp 300.000 „Münchnern" zurückgegriffen werden kann. Für die Berechnung der zulässigen Verkaufsflächen im zentrenrelevanten Bereich wird dann deren Kaufkraft der Kaufkraft des eigenen Verflechtungsbereichs hinzugezählt. Die eigenen Verflechtungsbereiche der Sieldungsschwerpunkte bewegen sich zwischen 7500 (Unterföhring) und 43.000 (gemeinsamer Siedlungsschwerpunkt Neubiberg/Ottobrunn/Hohenbrunn).

Seit Inkrafttreten des neuen LEP-Ziels zu Einzelhandelsgroßprojekten am 01.08.2002 wurden in der Region München 7 RO-Verfahren für geplante Einzelhandelsgroßprojekte durchgeführt – alle mit positivem Ergebnis. Darüber hinaus wurden in der Region 10 Einzelhandelsgroßprojekte von der höheren Landesplanungsbehörde landesplanerisch beurteilt und bis auf eines (wegen einer städtebaulich nicht integrierter Lage) positiv abgeschlossen. Des weiteren sind 5 Vorhaben bekannt, die auf Grund von einschränkenden landesplanerischen Vorgaben nicht weiter verfolgt wurden, bzw. für die kein Verfahren eingeleitet wurde. Ein Vorhaben (Fürstenfeldbruck) ist noch nicht abschließend bewertet.

3. Nach dem neuen Einzelhandelsziel sollen Standorte auf der grünen Wiese nicht mehr genehmigt werden. Das Vorliegen einer „integrierten Lage" oder jedenfalls einer zulässigen „Randlage" wird in den Verfahren großzügig ausgelegt. Zum Beispiel ging die Regierung von Oberbayern bei Abschluss des RO-Verfahrens für IKEA (Taufkirchen, Brunnthal) davon aus, dass sich der Standort in einer Randlage befindet. Auch der Hinweis des Planungsausschusses vom 06.11.2001 bewahrheitet sich, dass es in den räumlich beengten Verhältnissen im unmittelbaren Stadt-Umlandbereich relativ leicht ist, nachzuweisen, dass integrierte Lagen nicht zur Verfügung stehen und deshalb Randlagen akzeptiert werden.

Der entsprechende Vergleich der jetzt maßgeblichen Verflechtungsbereiche und damit Zugriff auf Einwohnerkaufkraft und Festlegung der entsprechenden Verkaufsflächen im zentrenrelevanten Sortiment (ohne Lebensmittel) zeigt auch, dass das neue Ziel eindeutig zu Lasten der Mittelzentren geht. Dies ist vor allem deshalb bedauerlich, weil der Regionale Planungsverband München die sog. „dezentrale Konzentration" als räumliches Entwicklungsziel verfolgt. Gestärkt gehen jedoch aus der Neuregelung einige Unterzentren und Siedlungsschwerpunkte hervor.

Am gravierendsten ist die Schieflage, wenn für einen Siedlungsschwerpunkt eine enge räumlich strukturelle, verkehrliche und städtebauliche Verflechtung mit der LH München angenommen wird. Dann erhöht sich für entsprechende Fachmärkte etc. die zulässige Verkaufsfläche um das bis zu 30-fache dessen, was eigentlich dem Einzugsbereich des jeweiligen innerstädtischen Einzelhandels entsprechen würde. Dies führt auch zu Siedlungsschwerpunkten erster und zweiter Klasse. Nicht jeder Siedlungsschwerpunkt erfüllt die Voraussetzungen für eine „Anleihe" von Kaufkraft bei der Kernstadt. Zudem ist die Formulierung zu undeutlich – Auslegungsschwierigkeiten sind vorprogrammiert. Dies zeigt sich z.B. am laufenden Vorhaben eines Gartencenters in Unterhaching (vgl. Drucksache 01/04).

Von Seiten einiger Umlandgemeinden wird problematisiert, dass an Standorten am Stadtrand der LH München ohne unmittelbaren Bezug zur Innenstadt ebenfalls auf das gesamte Potential des innerstädtischen Einzelhandels zurückgegriffen werden könne. Allerdings kann die LH München im Vergleich zur Rechtslage vor dem neuen EH-Ziel um 42 % weniger Flächen für zentrenrelevante Sortimente ausweisen, weil generell die Kaufkraft in ihrem Verflechtungsbereich zu einem wesentlich geringeren Anteil als in der übrigen Region berücksichtigt wird (s.o. 2 c). Zudem sind in aller Regel die großflächigen Einzelhandelsflächen auf Stadtgebiet sehr gut an das ÖPNV-Netz , überwiegend an die Schiene angebunden, während die Standorte in Siedlungsschwerpunkten oft lediglich eine Busverbindung aufweisen.

4. Insgesamt ist also festzustellen, dass die Konfliktlinien hinsichtlich des Ziels nicht primär zwischen der Kernstadt und den Umlandgemeinden des engeren Stadt-Umlandbereichs verläuft. Vielmehr sind im Vergleich zur Rechtslage vor der Einführung des neuen LEP-Ziels vor allem auch die Mittelzentren betroffen, deren Möglichkeit, zusätzliche Einzelhandelsflächen anzusiedeln, im zentrumsrelevanten Bereich geschmälert wurden. Sie verlieren mögliche Verkaufsflächen.

Auf der Grundlage des Planungsausschuss-Beschlusses vom 06.11.2001 und der Auswirkungen des neuen LEP-Ziels zum Einzelhandel ergeben sich für den Regionalen Planungsverband München folgende Forderungen:

  • Die Ausnahmeregelung für den Stadt-Umlandbereich soll abgeschafft oder zumindest modifiziert werden. Zulässig sollten nur noch zentrale Lagen sein, der Umfang der „Anleihe" von Kaufkraft bei der Kernstadt soll reduziert werden.
     
  • Die Mittelzentren müssen gestärkt, die dort zulässigen Verkaufsflächen für zentrenrelevante Sortimente wieder erhöht werden. In diesem Zusammenhang ist eine rein deskriptive Beschreibung der Verflechtungsbereiche als Grundlage eines konzeptionellen Ziels untauglich.

  

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

  2. Der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands München setzt sich für eine Verbesserung des LEP-Ziels zum Einzelhandel ein. Er beauftragt den Verbandsvorsitzenden und den Geschäftsführer, bereits jetzt auf der Grundlage des Vortrags die Interessen der Region München in eine Überarbeitung einzubringen.

  

i.A.
Breu
Geschäftsführer 


Zur Tagesordnung

Ergebnisse