Sitzung 10. Oktober 2006

Drucksache Nr. 19/06

196. Sitzung des Planungsausschusses, 10.10.2006

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsausschuss

TOP 1 a) 
Raumordnungsverfahren für eine 3. Start- und Landebahn des Verkehrsflughafens München

   

I. VORTRAG

Die Regierung von Oberbayern beteiligt den Regionalen Planungsverband mit Schreiben vom 24.08., eingegangen am 30.08.2006, am o. g. Raumordnungsverfahren. Neben der Begründung enthält der Antrag eine Vielzahl von Gutachten in insgesamt 8 DIN A4 Aktenordnern – am wichtigsten sind die Luftverkehrsprognose 2020, die Konfigurationsanalyse zur Bahnkapazität, die Konfigurationsanalyse zur Gesamtbewertung verschiedener Bahnanlagen sowie die Umweltverträglichkeitsstudie.

Antragstellerin des Raumordnungsverfahrens ist die Flughafen München GmbH, eine juristische Person des privaten Rechts. Gesellschafter sind der Freistaat Bayern zu 51 %, die Bundesrepublik Deutschland zu 26 % und die Landeshauptstadt München zu 23 %. Nach § 4 Abs. 3 Ziff. 1 des Bundesraumordnungsgesetzes muss die Antragstellerin Ziele der Raumordnung beachten und die Grundsätze der Raumordnung berücksichtigen.

1. Das Projekt

Beantragt wird die Erweiterung des Flughafens München um eine 3. Start- und Landebahn, die mindestens einen sog. Koordinationseckwert* von 120 Bewegungen ermöglicht. Nach geltender Genehmigungslage ist der Betrieb eines unabhängigen Zweibahnsystems möglich.

* Anzahl der pro Stunde für einen Flughafen planbaren Starts und Landungen

Begründung:

  • Die Kapazität des Start- und Landesystems sei schon jetzt zu Spitzenstunden erschöpft. Bereits jetzt könnten nicht alle beantragten Slots (vergebene Start- bzw. Landezeiten) bedient werden.
     
  • Der Koordinationseckwert (derzeit 90 Bewegungen pro Stunde) könne mit der derzeitigen Infrastruktur nur noch geringfügig auf ca. 93 Bewegungen pro Stunde angehoben werden.
     
  • Die prognostizierte Luftverkehrsentwicklung für den Flughafen München erfordere einen Koordinationseckwert von mindestens 120 Bewegungen pro Stunde.

Für 2020 prognostiziert das Gutachten von Intraplan Consult 55,8 Mio. Passagiere und 610 000 Flugbewegungen jährlich. Dieser Prognose liegt ein engpassfreies Szenario zugrunde. Mit der bestehenden Infrastruktur seien höchstens 41,9 Mio. Passagiere und 473 000 Flugbewegungen jährlich (2005 28,6 Mio. Passagiere und 399 000 Flugbewegungen) abzufertigen (s. Anlage 1).

Aus Sicht der Antragstellerin ist der Prognose Null-Fall (41,9 Mio. Passagiere; 30 % Umsteigeranteil) keine realistische Alternative für den Betrieb des Flughafens München, weil mit ihm der angestrebte Ausbau als Drehkreuz langfristig nicht bewältigt werden könne. Eine Überprüfung der Prognose hinsichtlich des angenommenen Wirtschaftswachstums (durchschnittlich 2 % jährlich) sowie der Kerosinpreise (reales Preisniveau 2020 wie 2004) ergebe, daß sich dort Änderungen lediglich zeitversetzt oder beschleunigend auswirkten, nicht jedoch die Prognoseergebnisse in Frage stellen. Um die prognostizierte Passagier- und Luftfrachtverkehre abwickeln zu können, sei eine Infrastruktur von mindestens 120 Flugbewegungen pro Stunde erforderlich.

Nach einer vergleichenden Untersuchung (DLR) von insgesamt 31 Bahnanlagen ergebe sich, dass 6 optimierte Bahnanlagen, 4b, 5a, 5b, 7, 8, 22a das Kapazitätsziel eines Koordinationseckwerts von mindestens 120 Flugbewegungen pro Stunde erreichen (Anlage 2).

Von diesen 6 Bahnanlagen sei die Bahn Nr. 5 b am besten geeignet, weil sie unter den Aspekten Inanspruchnahme bebauter Grundstücke, Lärmauswirkungen auf Personen, Lärmauswirkung auf die kommunale Bauleitplanung, Geländeinanspruchnahme, Gewässerauswirkungen und ergänzende kapazitätsrelevante Faktoren im Vergleich mit den anderen 5 am besten abschneide (Anlage 3 – Gutachten FMG u. a.). Die Bahn Nr. 5b zeichne sich vor allem dadurch aus, dass sie eine geringe Inanspruchnahme bebauter Grundstücke mit sich bringe, wenn sie auch wesentlich schlechter als die Bahnlagen 4b, 5a und 8 bei den Lärmauswirkungen auf Personen und schlechter als die Bahn 4 b und 5a bei den Auswirkungen auf die kommunale Bauleitplanung abschneide.

2. Die Auswirkungen

Im folgenden werden die wesentlichen Wirkungen, wie sie sich aus den Raumordnungsunterlagen ergeben, zusammengefasst:

  • Wirtschaftsstruktur: Impulse ergäben sich für das Umfeld des Flughafens und die gesamte Region München. Die Beschäftigtenzahl am Flughafen wächst von 24.320 im Jahr 2003 auf rund 41.000 Beschäftigte im Jahr 2020 im Planungsfall; demgegenüber läge sie im Prognose-Null-Fall (ohne 3. Bahn) im Jahr 2020 bei 32.000.
     
    Im Flughafenumland käme es zu einer Zunahme der Arbeitsplätze ohne Flughafenbeschäftigte (im Jahr 2004 295.900) um 34.200 gegenüber dem Prognose-Null-Fall von 27.500.
     
  • Siedlungsstruktur: Die Einwohnerzahl würde gegenüber 2004 im sog. Flughafenumland von jetzt 526.200 im Planungsfall um 65.900 und im Prognose-Null-Fall um 51.700 bis 2020 steigen. Im Vergleich zu den Arbeitsplätzen würden sich die prognostizierten Einwohnerzuwächse gleichmäßiger auf das gesamte Flughafenumland verteilen. Die Arbeitsplätze würden sich wie bisher in räumlichen Beschäftigungsschwerpunkten konzentrieren.
     
    Mit diesen Zuwächsen von Arbeitsplätzen und Einwohnern sind weitere Bedarfe bei den Wohn- und Gewerbeflächen bis 2020 zu erwarten. Sowohl hinsichtlich der Gewerbeflächen wie auch der Wohnflächen bestünden allerdings sowohl im Planungsfall wie auch im Prognose-Null-Fall keine Engpässe, weil das Gewerbeflächenpotential im Flughafenumland erheblich größer ist als der Bedarf (6,5 Mio. m² zu 2,5 Mio. m²), ebenso bei den Wohnflächen (4,1 Mio. m² Bedarf gegenüber 3,8 Mio. m² im Planungsfall). Punktuelle Übernachfragen im Geschosswohnungsbau in manchen Gemeinden wären vor dem Hintergrund des großen Flächenpotentials bis 2020 bauleitplanerisch lösbar.
     
    Infrastruktur und Verkehr. Für das langzeitige Verkehrsaufkommen wird eine Zunahme auf 96.700 Kfz pro Tag von jetzt 68.100 Kfz pro Tag schon im Prognose-Null-Fall prognostiziert. Für den Planungsfall steigt es auf 110.400 Kfz pro Tag.
     
    Fluglärm. Bezogen auf die Bahn 5b würde es aufgrund eines optimierten Betriebsmodells zwar in der Nacht in bewohnten Gebieten zu keiner erhöhten Schallbelastung kommen, jedoch am Tag von 6 – 22 Uhr. Vor allem Attaching (Stadt Freising) und Berglern wären stark betroffen. In Teilen Attachings wären Dauerschallpegelwerte von bis zu 70 dB(A) zu erwarten. In Berglern lägen weite Gemeindeteile innerhalb der Lärmschutzzone, so Berglern-Mitte in Zone B mit einem Dauerschallpegel von mehr als 62 dB(A) bis 65 dB(A). Gegenüber dem Null-Fall (d. h. ohne 3. Start- und Landebahn) erhöhten sich die lärmbetroffenen Flächen in der Zone A um 40 % (mehr als 65 dB(A)), in Zone B um 42 % (zwischen 62 und 65 dB(A)). Generell würde die Zahl der Flugbewegungen in der Region München durch den Flughafen München II um 227.000 pro Jahr gegenüber 2004 steigen, gegenüber dem Prognose-Null-Fall immerhin noch um 137.000.
     
    Auswirkungen von Fluglärm auf die Gesundheit und Wohlbefinden:
     
    Nach dem Gutachten von Dr. Blasy/Dr. Øverland (Umweltverträglichkeitsstudie – Anlage 4)) beginnt die Grenze der erheblichen Belästigung tags bei einem Wert von 60 dB(A) und die Schwelle der Gesundheitsgefährdung bei 70 dB(A), für die Prävention einer Gesundheitsgefährdung bei 65 dB(A)*.
     
    *Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (2002) und die WHO (1999) sehen 55 dB(A) als Grenze für Belästigungen tags und 60 – 65 dB(A) als Grenze für gesundheitliche Belastungen (zur Diskussion siehe Anlage 4).
     
    Im Fall der Bahnlage 5b wären gegenüber dem Istzustand mit 1.004 Personen im Prognose-Null-Fall ca. 1.915 Personen und im Planungsfall ca. 4.715 Personen mit einem Dauerschallpegel von mehr als 60 dB(A) betroffen. Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der betroffenen Bevölkerung werden vom Gutachter der Umweltverträglichkeitsstudie insgesamt als „mittel bis hoch" bewertet (Seite 137). Betroffen wäre auch das Förderzentrum in Pulling und andere besonders lärmempfindliche Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen. Auch die Forschungs- und Lehrstandorte im Wissenschaftszentrum in Weihenstephan werden einer größeren Lärmbelastung ausgesetzt.
     
  • Die kommunale Planungshoheit würde entsprechend eingeschränkt; insbesondere wäre am Hauptort von Berglern nach den vorgelegten Lärmkarten praktisch keine Ortsplanung mehr möglich; ebenso wäre in Freising-Attaching die kommunale Planungshoheit durch die entsprechenden Verbote kommunaler Lärmschutzzonen eingeschränkt.
     
  • Sonstige Auswirkungen. Der Flächenneubedarf für die Bahnanlage 5b wird mit 970 ha angegeben, davon insgesamt 326 ha versiegelt. Die Planung bedürfe einiger Straßenverlegungen und Linienänderungen (St 2084; FS 44 Attaching und St 2084 Attaching ED 5).
     
    Die Umweltverträglichkeitsstudie kommt zum Ergebnis, dass die Funktionen des Regionalen Grünzugs nicht wesentlich beeinträchtigt werden, da der Anteil der Versiegelung im Vergleich zur Gesamtausdehnung des Grünzugs verhältnismäßig gering sei. Der Luftaustausch durch den bisher unverbauten Grünzug würde durch die ebenfalls hindernisfreien Start- und Landebahnen nicht verändert; durch die Versiegelung würde eine äußerst geringfügige Temperaturerhöhung von 0,1° C auf der Anlage selbst bewirkt, die im Umfeld nicht mehr zu Buche schlage.
     
    Landschaftliche Vorbehaltsgebiete sind nicht betroffen. Natura 2000 Flächen würden nicht in Anspruch genommen. Auswirkungen auf den Boden wären kompensierbar, die Auswirkungen auf das Grundwasser wären auf den Nahbereich des Flughafens beschränkt und könnten durch planerische Maßnahmen minimiert werden.

3. Die Bewertung
 
Der Regionale Planungsverband München nimmt eine Bewertung aus Sicht der gesamten Region München vor, d. h. er bündelt nicht die kommunale Sicht der einzelnen Mitglieder. Die im Flughafenumland gelegenen Gemeinden und Landkreise sind separat am Raumordnungsverfahren beteiligt, und wurden zur heutigen Planungsausschusssitzung eingeladen.

Insgesamt kommt die regionalplanerische Beurteilung zu dem Ergebnis, dass die Erweiterung des Flughafens München um eine 3. Start- und Landebahn, die 120 Bewegungen pro Stunde ermöglicht, mit den Vorgaben der Raumordnung vereinbar ist. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass die einzig im Verfahren beantragte Bahnlage 5b mit den Erfordernissen der Raumordnung einschließlich der raumbedeutsamen und überörtlichen Belange des Umweltschutzes vereinbar ist (vgl. Art. 21 Abs. 2 Satz 2 LPlG). Dies ergibt sich aus folgendem:

a) maßgebliche Ziele (Z) und Grundsätze (G) der Raumordnung für die Beurteilung sind:

Landesentwicklungsprogramm Bayern

  • Z B V 1.6.1 Der Verkehrsflughafen München soll die interkontinentale Luftverkehrsanbindung ganz Bayerns und die nationale und kontinentale Luftverkehrsanbindung Südbayerns langfristig sicherstellen. Für einen leistungsfähigen und bedarfsgerechten Ausbau des Verkehrsflughafens München als Drehkreuz von europäischem Rang soll langfristig Vorsorge getroffen werden.
     
  • Z B V 1.6.3 Zur dauerhaften Standortsicherung und zur Sicherung der langfristigen räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Luftverkehrsinfrastruktur des Verkehrsflughafens München werden die im Anhang 7 dargestellten Flughafenentwicklungsflächen als Vorranggebiet festgelegt. Bis zum 01.04.2003 aufgestellte rechtsverbindliche qualifizierte Bebauungspläne bleiben von den Rechtsfolgen der Ausweisung des Vorranggebiets unberührt.
     
  • G B V 6 Es ist anzustreben, die Bevölkerung durch dauerhaft wirksame Maßnahmen vor schädlichen Einflüssen durch Lärm und Erschütterungen zu schützen und darüber hinaus zu entlasten, in erster Linie durch Maßnahmen an den Lärmquellen selbst.
     
  • G B V 6.4 Es ist anzustreben, dass die Bevölkerung durch zivilen und militärischen Fluglärm so gering wie möglich belastet wird.
     
  • Z B 6.4.2 Schutzbedürftige Einrichtungen sollen außerhalb des Lärmschutzbereichs angesiedelt werden.
     
  • Z A I 2.4 Der Flächen- und Ressourcenverbrauch soll in allen Landesteilen reduziert werden. Die Entwicklung des Landes und seiner Teilräume soll so flächen – und ressourcensparend wie möglich erfolgen.
     
  • Z A I 1.1 Zur Sicherung der Lebenschancen künftiger Generationen soll Bayern in seiner Gesamtheit und in seinen Teilräumen dauerhaft umwelt-, wirtschafts- und sozialverträglich entwickelt werden. Gleichwertige und gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen sollen geschaffen und erhalten werden. Dabei sollen auch die geschaffenen Eigentumswerte berücksichtigt werden.
     
  • A I 6.2 Metropolregionen in Bayern (G) Die Weiterentwicklung der Großräume München und Nürnberg in ihren jeweiligen internationalen Funktionen und ihre Festigung als europäische Metropolregionen sind von besonderer Bedeutung.
     
    (Z) Hierzu sollen die nationalen und internationalen verkehrlichen Anbindungen der Metropolregionen und die innerregionale Erschließung verbessert sowie die Standortattraktivität für internationale Institutionen und Unternehmen erhöht werden.
     
    (G) Es ist anzustreben, die Ausstrahlungseffekte der Metropolregionen in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, kultureller und touristischer Hinsicht für eine positive Entwicklung im weiteren Umland zu nutzen.

Regionalplan München

  • G B V 5.1 Der Verkehrsflughafen München soll als Großflughafen der Region München den nationalen und internationalen Luftverkehr abwickeln.
     
  • B II 6.4 Auf eine nachhaltige Verringerung der Lärmbelastung durch Flugbetrieb soll hingewirkt werden. Die Lärmbelastungen durch den Flughafen München sollen nachts so gering wie möglich gehalten werden.
     
  • B II 6.5 Auf eine Reduzierung der Lärmschutzbereiche, insbesondere um den Flughafen München, ist langfristig hinzuwirken.
     
  • Z B II 4.2.2 Regionale Grünzüge sollen - zur Verbesserung des Bioklimas und zur Sicherung eines ausreichenden Luftaustausches - zur Gliederung der Siedlungsräume - zur Erholungsvorsorge in Siedlungsgebiet und siedlungsnahen Bereichen dienen.
    Die regionalen Grünzüge sollen über die in bestehenden Flächennutzungsplänen dargestellten Siedlungsgebiete hinaus nicht geschmälert und durch größere Infrastrukturmaßnahmen nicht unterbrochen werden. Planungen und Maßnahmen in regionalen Grünzügen sollen im Einzelfall möglich sein, soweit die jeweilige Funktion gemäß Absatz 1 nicht entgegensteht.

Im Zentrum der regionalplanerischen und raumordnerischen Prüfung des Vorhabens steht vor allem die Frage, ob der „Bedarf" und seine Konsequenzen richtig ermittelt wurde, sowie ob die „richtige Bahn" ausgewählt wurde und mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar ist.

b) Die von der Antragstellerin vorgetragene Luftverkehrsprognose setzt einen ungehinderten Ausbau des Flughafens München als Drehkreuz von europäischem und interkontinentalem Rang voraus. Unter diesem Aspekt sind die im Gutachten von Intraplan Consult errechneten Kapazitätswerte schlüssig dargelegt (siehe oben auf Seite 2). Ein erhebliches Abweichen von den dabei angenommenen Wirtschaftswachstumsraten von 2 % jährlich sowie bei den Kerosinpreisen (reales Preisniveau 2020 wie 2004) würde die Prognose in ihrer Höhe nicht wesentlich ändern, sondern lediglich zu einer zeitversetzten Bedarfslage führen (früher oder später).

Diese engpassfreie Kapazitätserweiterung des Flughafens München setzt einen Koordinationseckwert, eine Leistungsfähigkeit des Start- und Landebahnsystems, von mindestens 120 Bewegungen pro Stunde voraus.

Diese Ergebnisses des Gutachtens stehen mit der landesplanerischen Grundentscheidung des Freistaats Bayern, den Flughafen München als europäisches und interkontinentales Drehkreuz auszubauen, im Einklang (LEP Z B V 1.6.1). Deshalb dringt der Einwand, für die Originärfluggäste sei mit dem bestehenden Landebahnsystem genügend Kapazität bereitgestellt, nicht durch. Darüber hinaus entspricht ein solches Ausbauziel auch dem ebenfalls landesplanerisch festgesetzten Ziel, zur Weiterentwicklung des Großraums München die nationalen und internationalen verkehrlichen Anbindungen der Metropolregion und die innerregionale Erschließung zu verbessern (LEP A I 6.2.).

Aus regionaler Perspektive entspricht auch die mit dieser HuB-Funktion des Flughafens München einhergehende Stärkung des Wirtschaftsstandortes und der internationalen Attraktivität der Metropolregion München den raumordnerischen Vorgaben (siehe oben).

Dabei führt die HuB-Funktion des Flughafens als „Abfallprodukt" auch dazu, dass die Einwohner und Firmen in der Region München bzw. in Süddeutschland wesentlich mehr direkte Interkontinental- und Europaflüge in Anspruch nehmen können, als es ohne den Ausbau möglich wäre.

c) Allerdings hält die Wertung und Auswahl der Bahnlage 5 b im Gutachten vom Flughafen München / Müller / BBM / Dr.Blasy-Dr.Øverland / Ökokart (Konfigurationsanalyse) einer kritischen Überprüfung aus regionalplanerischer und raumordnerischer Sicht nicht Stand. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese einzig von der Antragstellerin ins Raumordnungsverfahren gegebene Bahnlage mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar ist.

Maßstab für die Beurteilung ist Art. 21 Abs. 2 des BayLPlG, wonach durch das Raumordnungsverfahren festgestellt wird, ob oder mit welchen Maßgaben das Vorhaben mit den Erfordernissen der Raumordnung einschließlich der raumbedeutsamen und überörtlichen Belange des Umweltschutzes vereinbar ist. Diese Feststellung schließt eine Prüfung vom Träger des Vorhabens eingeführte Alternativen ein.

Demnach ist ein Raumordnungsverfahren kein vergleichendes Suchverfahren, das mehrere Varianten in eine Rangfolge brächte. Vielmehr muss jeder einzelne im Raumordnungsverfahren befindliche Prüfungsgegenstand auf das Ob seiner Verträglichkeit mit raumordnerischen Erfordernissen sowie auf das Wie (ggf. Maßgaben) geprüft werden.

Im vorliegenden Fall drängt sich förmlich auf, dass angesichts der Eingriffe in Eigentum, Gesundheit und Umwelt nur diejenige Bahn als mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar gelten kann, die den geringsten Eingriff mit sich bringt.

Die Entscheidung der Gutachter aufgrund der Matrix (Anlage 5) ist fehlerhaft. Diese Fehler sind im konkreten Fall auch entscheidungsrelevant.

  • Aus regionalplanerischer und raumordnerischer Sicht stellt die dort unter Auswirkungskategorien genannte Zeile „kapazitätsrelevante Zusatzfaktoren" keine Auswirkung des Vorhabens dar, sondern ist ein neues zusätzliches Kapazitätserfordernis der Bahn. So wird dort für den Fall der Sperrung einer der bestehenden Start- und Landebahnen ein unabhängiger Betrieb der beiden anderen Bahnen gefordert. Dieser wäre mit Ab- und Anflügen im Mischbetrieb auf den anderen 2 Bahnen nur möglich bei einem Achsabstand von mindestens 1.035 m; bei 760 m Achsabstand wäre auf den beiden Bahnen jeweils nur getrennter An- oder Abflugbetrieb unabhängig voneinander möglich. Die andere zusätzliche Kapazität, die durch dieses Kriterium eingeführt wird, betrifft die möglichst flexible und störungsfreie Rollwegführung.
     
    Offensichtlich ist, dass dieses Kriterium keine Auswirkung des geplanten Flugbetriebs auf einer 3. Bahn beschreibt, sondern zusätzliche Kapazitätskriterien einführt. Die so gewonnene Kapazität wiegt dann in der Matrix genau so viel wie z. B. die festgestellten Lärmauswirkungen auf Personen (vgl. Anlage 5).
     
  • Der zweite wesentliche Fehler in der von den Gutachtern vorgelegten Matrix liegt darin, dass dort die Inanspruchnahme bebauter Grundstücke durch das Vorhaben selbst 5 mal so hoch gewichtet wird wie die Lärmauswirkungen auf Personen oder die Lärmauswirkungen auf die kommunale Bauleitplanung. Zur Begründung wird zum einen angegeben, die Lärmauswirkungen auf Personen und auf die kommunale Bauleitplanung sei zusammen zu sehen. Dabei verkennt der Gutachter, dass bei einer Prüfung der Auswirkungen auf das jeweils geschützte Rechtsgut abgestellt werden muss und nicht auf das Medium Lärm. Unabhängig von anderen Auswirkungen sind (im Sinne von gesunden Lebensverhältnissen in allen Teilen Bayerns, vgl. LEP Z A I 1.1) die Lärmauswirkungen auf Personen zu betrachten, unabhängig davon aber auch die Auswirkungen auf die kommunale Bauleitplanung (diese rechtlichen Interessen sind wie das Eigentum grundgesetzlich und in der Bayerischen Verfassung geschützt).
     
    Dass Eingriffe ins Eigentum demgegenüber 5 mal so hoch angesetzt werden, überzeugt aus raumordnerischer und regionalplanerischer Sicht nicht. Dabei ist auch zu beachten, dass Eigentümer, deren Grundstücke für das Projekt selbst in Anspruch genommen werden, entschädigt werden und damit die Möglichkeit haben, in der Nähe ihres bisherigen Lebensmittelpunkts ein möglichst lärmfreies Leben zu führen. Demgegenüber haben insbesondere Lärmbetroffene, die zwischen 65 und 70 dB(A) Lärm ausgesetzt sind, lediglich Ansprüche auf Lärmschutzmaßnahmen. Ihre Grundstücke verlieren rapide an Wert, sie sind dauerhaft möglicherweise gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt (vgl. zur Zahl der Betroffenen Anlage 6),wenn sie nicht wegziehen können.
     
    Diese fehlerhaften Abwägungskategorien bzw. Gewichtung der Auswirkungen sind im konkreten Fall auch entscheidungserheblich. Verändert man z. B. den Gewichtungsfaktor für die Inanspruchnahme bebauter Grundstücke gegenüber den Lärmauswirkungen auf Personen von 5 : 1 auf 2 : 1 (wobei er dann immer noch so stark wirkt wie die Lärmauswirkung auf Personen und diejenige auf die kommunale Bauleitplanung zusammen), dann würde eine andere Bahn als geeignetste ermittelt.

Da es in der Entscheidung des Vorhabenträgers liegt, mit welcher Vorhabensvariante er das Raumordnungsverfahren beantragt (eine Prüfung von Alternativen ist nur zulässig für vom Träger des Vorhabens eingeführte Varianten), können andere Bahnen nicht gewürdigt werden. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass aus regionalplanerischer und raumordnerischer Sicht die konkrete ins Verfahren gegebene Bahnlage 5 b den Erfordernissen der Raumordnung entspricht.

d) Unabhängig von der konkreten Bahnlage, jedoch für alle Bahnen mit dem Kapazitätsziel von 120 Bewegungen/Stunde, sind Maßgaben erforderlich, um dem in den Zielen und Grundsätzen des Regionalplans sowie des Landesentwicklungsprogramms geforderten Schutz der Gesundheit sowie der Erreichbarkeit des Flughafens zu genügen (s. o.)

Zusätzlich zum Prognose-Null-Fall sind für die Realisierung einer dritten Startbahn mindestens 1.510 Menschen einem durchschnittlichen Lärm von 60 – 65 dB(A) tags sowie 30 einem Lärm von 65 – 70 dB(A) ausgesetzt (für den Fall der Bahnlage 5 b: 2.220 und 480). Für die dritte Bahn ist ein absolutes Nachtflugverbot zwischen 22.00 und 6.00 Uhr als Maßgabe zu fordern, damit die zusätzliche Lärmbelastung nachts ausgeschlossen ist. Ohne diese Festlegung ist eine verlässliche Minimierung des Lärms in der Nachtzeit nicht sichergestellt.

Außerdem ist im Sinne des LEP-Ziels A I 6.2. Absatz 2 die innerregionale Erschließung in der Metropolregion München zu verbessern. Dazu gehört auch die längst überfällige bessere Anbindung des Flughafens. Sie ist auch deshalb nötig, weil eine wie oben gezeigt erhebliche Zahl von weiteren Arbeitsplätzen und Einwohnern in das Flughafenumland auch ohne Ausbau ziehen wird. Aus diesem Grund sind die vom Nachbarschaftsbeirat beschlossenen Forderungen zum Infrastrukturausbau ebenfalls als Maßgabe für die 3. Bahn festzulegen.

  

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

  1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

  2. Der Regionale Planungsverband München hat gegen den Ausbau des Flughafens München mit einer 3. Start- und Landebahn, die die Kapazität des Flughafens auf 120 Bewegungen pro Stunde erhöht, keine grundsätzlichen regionalplanerischen Bedenken.

  3. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die von der Antragstellerin ins Raumordnungsverfahren gegebene Bahnlage 5b mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar ist.

  4. Um die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Anwohner des Flughafens zu minimieren, ist für eine 3. Bahn ein absolutes Nachtflugverbot zwischen 22.00 und 6.00 Uhr festzulegen.

  5. Die vom Nachbarschaftsbeirat geforderten Verkehrsprojekte (s. Anlage 7) sind möglichst bald zu realisieren.

  

i.A.
Breu
Geschäftsführer 


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