Sitzung 6. Dezember 2022

Drucksache 19/22

264. Sitzung des Planungsausschusses am 06.12.2022

V O R L A G E
des Verbandsvorsitzenden an den Planungsauschuss

TOP 2 Luftreinhalteplan LH München, Stellungnahme

Anlagen:
1. Vergleich LH München – Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD) / Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)
2. Entwurf des Luftreinhalteplans LH München, 8. Fortschreibung
3. Prognose zu NO2-Immissionen

I. BERICHT

Die Landeshauptstadt München (LH München) hat am 26.10.2022 den Entwurf einer 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans München beschlossen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ist Frist für Stellungnahmen bis zum 12.12.2022.

Seit 01.06.2021 ist die LH München zuständig für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen gem. § 47 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Die Zuständigkeit des Landesamts für Umwelt für die Luftgütemessungen mit dem entsprechenden Bayerischen Überwachungssystems LÜB bleibt davon unberührt.

Die Fortschreibung des Luftreinhalteplans wird für das Stadtgebiet München erstellt, d. h. Maßnahmen können grundsätzlich nur für die LH München getroffen werden.

1. In einem von der LH München, dem VCD und der DUH am 05.10.2022 geschlossenen Vergleich (Anlage 1) verpflichtet sich die LH München u. a., ein beiliegendes Maßnahmenpaket der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans München in die anstehende 8. Fortschreibung verbindlich aufzunehmen (§ 2 Abs. 1). Die Aufnahme dieser Maßnahmen steht unter dem Vorbehalt anderweitiger und bisher unbekannter Erkenntnisse, die durch die Öffentlichkeitsbeteiligung gewonnen werden (§ 2 Abs. 3). Ebenso werden weitere Maßnahmen vereinbart, zu denen sich die LH München verpflichtet, unverzüglich mit der Umsetzung zu beginnen (§ 3). Im Gegenzug verpflichten sich der VCD und die LH München, ein beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) anhängiges Berufungsverfahren übereinstim-
mend für erledigt zu erklären; die DUH verpflichtet sich gegenüber der LH München, keine weitere Vollstreckung aus einem Urteil des VGH zu betreiben.

Die LH München hat die mit den VCD und der DUH in diesem Vergleich vereinbarten Maßnahmen sowie weitere dort vereinbarte Maßnahmen in den Entwurf der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommen.

2. Den Maßnahmen des Luftreinhalteplans liegen Prognosen über die NO2-Immissionswerte für die zukünftige Entwicklung zugrunde (Anlage 2, Seite 20). Im Jahre 2021 lagen die NO2-Belastungen, insbesondere in den vier Hotspots Landshuter Allee Nord, Landshuter Allee LÜB, Tegernseer Landstraße und Leuchtenberg Ring im Jahresmittel über dem Grenzwert von 40 µg/m³. Ein streckenbezogenes Dieselfahrverbot würde dort zu einer sicheren Grenzwerteinhaltung mit Werten zwischen 36 µg/m³ und 38 µg/m³ führen. Ein zonales Dieselfahrverbot ebenfalls mit Werten von 37 µg/m³ und 38 µg/m³ (siehe Anlage 2, Seite 35). Der Entwurf gibt einem zonalen Dieselfahrverbot (d. h. grundsätzliche Einbeziehung des Mittleren Rings in die Umweltzone und gestaffelte Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge) den Vorzug (Anlage 2, Seite 35 – 40). Streckenbezogene Fahrverbote führten zu weitreichenderen Verkehrsverlagerungen. Im Hinblick auf die Anzahl der Überschreitungspunkte von zulässigen Lärmbelastungsschwellen und die räumliche Verteilung ergäben sich kleine Vorteile für ein zonales Fahrverbot. Unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit würden aufgrund der etwas größeren Verkehrsverlagerungen schlechtere Folgen für ein streckenbezogenes Fahrverbot gegenüber dem zonalen Fahrverbot prognostiziert. Auch die Beeinträchtigung der Betriebsqualität am Tram- und Busnetz sei netzweit im Falle eines streckenbezogenen Dieselfahrverbots höher.

Bezogen auf in München gemeldeten 785.000 Kfz fallen ca. 141.000 Kfz in die vom Dieselfahrverbot betroffenen Schadstoffklassen Euro 5/V und schlechter. Die Fahrer würden durch das zonale Dieselfahrverbot in ihrer Bewegungsfreiheit stärker eingeschränkt, als durch das streckenbezogene Fahrverbot. Es wird darauf hingewiesen, dass für beide Varianten generell „in Stadt und Region ein qualitativ hochwertiges ÖPNV-Angebot mit Verknüpfungspunkten zwischen MIV und ÖPNV vorhanden sei, das in Zukunft weiter ausgebaut“ werde (siehe Anlage 2, Seite 40). Dadurch bestehe auch für Personen mit Diesel-Kfz Euro 5 und schlechter die bei der zonalen Variante nicht unter die Ausnahmeregelung fallen, eine modale Alternative zum Kfz, um Ziele in der bestehenden Umweltzone zzgl. des Mittleren Rings erreichen zu können. Die Fahrverbote (vgl. Seite 55, Anlage 2) sind zeitlich gestaffelt und sehen zunächst automatische Ausnahmen insbesondere für Anwohner und gewerbliche Nutzer vor. Ab 01.02.2023 soll ein zonales Diesel-Fahrverbot (innerhalb des Mittleren Rings inkl. des Mittleren Rings selbst) für Diesel-Fahrzeuge Euro 4 und schlechter mit generellen Ausnahmen für Lieferverkehr und Anwohner in Kraft treten. Ab 01.10.2023 werden die Fahrverbote ausgeweitet auf Diesel Euro 5/V und schlechter. Ab 01.04.2024 entfallen die generellen Ausnahmegenehmigungen. Es sind auch für Anwohner Einzelausnahmegenehmigungen notwendig.

3. Stellungnahme aus Sicht des RPV

a) Durch den Übergang der Zuständigkeit, u. a. einen Luftreinhalteplan für die Stadt München aufzustellen, werden ausschließlich Maßnahmen im Gebiet der LH München festgesetzt. Dabei werden aber auch bei der Frage der Auswirkungen in den Abwägungsentscheidungen – insbesondere ob ein zonales Fahrverbot oder ein Linienfahrverbot vorzuziehen ist, nur verkehrliche Auswirkungen für das Stadtgebiet betrachtet.

Das Umland der Stadt München muss jedoch schon aufgrund der außerordentlich hohen Pendlerverflechtung zwischen Stadt und Umland bei der Betrachtung der Auswirkungen und einer Auswahlentscheidung zwischen zwei in ihren Wirkungen fast gleichwertigen Maßnahmen berücksichtigt werden. Dagegen spricht nicht, dass die Stadt München in ihrer hoheitlichen Tätigkeit auf ihre Fläche beschränkt ist. Bei der Prüfung der Auswirkungen solcher Maßnahmen müssen zumindest auch die Belange und Rechte von Bürgern, die im Umland leben, jedoch enge Beziehungen zu München haben, z. B. durch Arbeitsplatz etc., berücksichtigt werden. Das ist in der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans nicht bzw. nur marginal geschehen. Zur im Entwurf genannten Zahl der Diesel-Pkw Euro 5 und schlechter, die in der LH München zugelassen sind, kommen noch ca. 138.000 solche Fahrzeuge aus dem Umland hinzu.

Das zonale Fahrverbot betrifft insbesondere Pendler, die mit dem Auto zur Arbeit innerhalb oder außerhalb des Mittleren Rings fahren.

Denn anders als im Entwurf behauptet, gibt es um München herum nicht genügend leistungsfähige hochwertige ÖPNV-Angebote mit Verknüpfungspunkten und freien Kapazitäten, aufgrund deren man die Einpendler unberücksichtigt lassen könnte. Es gibt zwar Überlegungen dazu, die Realisierung solcher Verkehrsknotenpunkte liegt aber noch in der Zukunft.

b) Zumindest müsste auch der Teil des Mittleren Rings zwischen A 8 (Salzburg) und A 95 (Garmisch-Patenkirchen) bei einer zonalen Festlegung von Fahrverboten ausgenommen werden. Durchgangsverkehre, die von der einen auf die andere Autobahn wechseln, können nicht auf die Umfahrung der A 99 verwiesen werden. Es käme zu erheblichem Ausweichverkehr und längeren Fahrzeiten, die umweltschädlich sind.

c) Die vorliegenden Prognosen sollten noch einmal gründlich überprüft werden. Es gibt innerhalb des vorliegenden Entwurfs Widersprüche über die mögliche Entwicklung der NO2-Immissionswerte.

Die Planungsgrundlage (Seite 20) für die 8. Fortschreibung geht davon aus, dass ohne die Maßnahmen dieser Fortschreibung 2024 bei Dreien der o. g. vier Hotspots keine Grenzüberschreitungen mehr vorliegen werden. In der Landshuter Allee (LÜB) noch in den folgenden Jahren bis 2026. Aber die Immissionsprognose 2022 bis 2026 in der Anlage 2 zur 8. Fortschreibung (in dieser Drucksache als Anlage 3 abgedruckt, Seite 14) kommt zum Ergebnis, dass nach einer geringfügigen Überschreitung im Jahr 2023 (Tegernseer Landstraße 42, Landshuter Allee 42, Leuchtenbergring 41) spätestens 2024 überall die Grenzwerte eingehalten werden können. Dabei kommt diese Prognose bei der Landshuter Allee (LÜB) schon 2023 zu der Einhaltung der Grenzwerte und 2024 zu einer Unterschreitung (38 µg/m³). Diese Immissionsprognose berücksichtigt bei der Landshuter Allee (LÜB) lediglich die Wirkungen von Luftfilteranlagen und einer Busspur, auf der ab 2023 nur Elektrobusse verkehren (Anlage 3, Seite 14 oben). Nur wenn diese genannten Maßnahmen Luftfilteranlagen und Busspuren nicht realisiert würden, ergäbe sich wohl eine Überschreitung ab 2023 an der Landshuter Allee. Unter der Ziffer 8.6, 8.7 und 8.8 werden die o. g. Maßnahmen ebenfalls angesprochen (in Anlage 2, Seite 27 – 29). Jedoch werden ihre Wirkungen noch nicht für Prognosen quantifiziert.

Deshalb ist noch einmal genau zu prüfen, ob die genannten Maßnahmen an der Landshuter Allee (LÜB) und einige wenige streckenbezogene Fahrverbote nicht deutlich weniger Eingriffe in den Verkehr und die Bewegungsfreiheit von Bürgern in Stadt und Umland nach sich ziehen als die jetzt für einen Zeitraum bis Ende 2025 vorgesehenen generellen zonalen Fahrverbote. Es ist jeweils das mildeste Mittel, mit dem eine Einhaltung der Grenzwerte erreicht wird, zu wählen.

Angesichts der seit Jahren festzustellenden Tendenz einer fallenden Belastung mit NO2 auch an den Hotspots wäre zu überlegen, die Maßnahmen der 8. Fortschreibung auf höchstens ein Jahr zu begrenzen. Dann kann davon ausgegangen werden, dass die Grenzwerte eingehalten werden können.

II. BESCHLUSSVORSCHLAG

1. Vom Vortrag wird Kenntnis genommen.

2. Der Regionale Planungsverband München gilt als Stellungnahme zum Entwurf einer 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München die Drucksache 19/22 ab und fordert insbesondere,

a) die Belastungen von Einpendlern nach München insbesondere mit Arbeitsplätzen innerhalb des Mittleren Rings, in die Abwägung einzubeziehen. Dabei ist zu beachten, dass leistungsfähige und räumlich verteilte Umsteigeeinrichtungen in den ÖPNV mit Kapazitätsreserven für Pendler kaum vorhanden sind. Und in absehbarer Zeit auch nicht realisiert werden können;

b) die den Maßnahmen zugrundeliegenden Prognosen zu überprüfen, insbesondere die Notwendigkeit von linien- oder flächenbezogenen Fahrverboten im Hinblick darauf neu zu prüfen, dass schon einzelne Maßnahmen an der Landshuter Allee die Einhaltung der Grenzwerte wohl 2023 ermöglichen, und ab 2024 mit einer generellen Einhaltung der Grenzwerte ohne die Maßnahmen der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu rechnen ist (vgl. Anlage 3, Seite 14). Weitergehende Fahrverbote wären dann ab 2024 nicht erforderlich.

c) im Hinblick auf die Vielzahl betroffener Personen inkl. der Einpendler neu zu untersuchen, ob einzelne Maßnahmen oder eine selektive Linienbe-
schränkung
eher verhältnismäßig wären, und ein zonales Fahrverbot entbehrlich.

d) den Streckenabschnitt des Mittleren Rings zwischen A 8 und A 95 auf jeden Fall von Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge Euro 5 und schlechter auszunehmen.

i.A.
Breu
Geschäftsführer